Die Bezeichnung "Supergroup" lässt bei mir immer erst mal die Warnleuchten angehen. Oftmals haben solche Kollaborationen einen deutlich erkennbaren Projektcharakter und lassen trotz bekannter und begnadeter Musiker eine eigene Identität und ein richtiges Bandfeeling vermissen. Aber natürlich gibt es auch hier einige gute Gegenbeispiele (z.B. KILLER BE KILLED) und die Aufstellung von Truppe, um deren Debüt es hier gehen soll, macht schon ein wenig neugierig. Unter dem Banner CYHRA zusammengefunden haben sich die beiden ehemaligen IN-FLAMES-Recken Jesper Strömblad und Peter Iwers, Ex-AMARANTHE-Sänger Jake E Lundberg und Drummer Alex Landenburg, der auch für LUCA TURILLI'S RHAPSODY und MEKONG DELTA die Stöcke schwingt.
Die Beteiligung von Jesper Strömblad, der IN FLAMES bereits 2009 wegen persönlicher Probleme verlassen hatte, und Peter Iwers, der erst letztes Jahr seinen Hut nahm, könnte natürlich zunächst auf eine stilistische Ausrichtung im Geiste der ehemaligen Melo-Death-Pioniere schließen lassen. Tatsächlich dürften alte IN-FLAMES-Fans das Debüt "Letters To Myself" mit einem lachenden und einem weinenden Auge aufnehmen, denn schon der Opener "Karma" beigeistert mit überaus melodischem Gitarrenspiel, das unverkennbar Strömblads Handschrift trägt und Erinnerungen an die seeligen Zeiten von "Clayman" und "Colony" weckt. Spätestens mit dem Einsatz des Gesangs wird aber sehr schnell klar, dass hier keineswegs ein Revival der alten Göteborgschule ins Haus steht; Jake E Lundbergs klarer, melodischer Gesang macht aus "Karma" allerings eine großartige und unwahrscheinlich eingängige Melodic Metal Nummer, die leider nur bedingt als Blaupause für den Rest des Albums taugt.
Lundbergs ehemalige Brötchengeber AMARANTHE sind ja im wesentlichen eine Popband im seichten Metalgewand und so war eigentlich von vorneherein klar, dass besonders der Gesang CYHRA in eine sehr melodische, wenn nicht sogar poppige Ecke stellen würde. Dabei macht Jake E Lundberg eigentlich eine ziemlich gute Figur und präsentiert sich als überraschend vielseitiger Sänger (früher war er ja nur eine von drei Stimmen), leider kommt das restliche Songmaterial an den grandiosen Opener so schnell nicht wieder ran. Nach "Karma" wird das Tempo merklich gedrosselt und auch die genialen Gitarrenleads werden zugunsten einer deutlich theatralischeren und prominent mit Keyboards gespickten Grundausrichtung zurückgefahren. Die folgenden Stücke zielen stets auf den großen Refrain ab, "Heartrage" und "Here To Safe You" wandeln z. B. auf den Pfaden von Kollegen wie KAMELOT oder SONATA ARCTICA, während bei "Muted Life" sogar das leichte Musicalflair von AVANTASIA mitschwingt. Das alles ist natürlich sehr hochwertig produziert und mitreißend inszeniert, grade Strömblads geniale Gitarrenarbeit scheint dabei aber viel zu selten durch und wird erst beim Titeltrack wieder richtig prominent und gewinnbringend eingesetzt. So sticht "Letter To Myself" zur Albummitte als zweitstärkste Nummer neben "Karma" noch mal heraus und zeigt, wie guter Melodic Metal mit ordentlich Drive zu klingen hat.
Der Rest des Materials bewegt sich allerdings wieder im eher gemäßigten Tempo und wandelt mit ordentlich Keyboardschmalz und theatralischen Refrains häufig auf dem schmalen Grat zum Popkitsch, der ein ums andere Mal mehr als deutlich überschritten wird. So erinnert "Rescue Ride" beispielsweise stark an alte HIM-Schmonzetten und die Powerballade "Closure" würde auch beim Eurovision Song Contest niemandem wehtun. Allgemein ähneln sich viele Songs außerdem etwas zu sehr und funktionieren oft nach dem selben Prinzip, besonders mehr Tempovariation wäre wünschenswert gewesen. Ihr volles Pontential entfalten CYHRA eindeutig bei Nummern wie "Karma" und "Letter To Myself", leider spielen sie die dort präsentierten Stärken auf Albumlänge viel zu selten aus, versteifen sich unnötig auf die Jagd nach dem großen Refrain und segeln so oft unnötig im Schatten anderer Genrekollegen.
Schlecht ist das Debüt von CYHRA sicherlich nicht und Professionalität kann man der Band auch nicht absprechen, dazu sind hier besonders mit Strömblad und Iwers einfach zu alte Hasen am Werk. Grade durch diese Professionalität leidet allerdings die Spontanität etwas und man hat nicht das Gefühl, dass CYHRA ihr volles Potential wirklich ausschöpfen. Auf der anderen Seite muss man den Herren zugute halten, dass sie nicht auf Teufel komm raus versuchen sich den Fangemeinden ihrer alten Bands anzubiedern und durchaus versuchen etwas Eigenes zu kreieren. Dass dabei trotzdem deren Einflüsse mitschwingen, ist unvermeidlich und besonders im Falle von Jesper Strömblad sogar sehr erfreulich.