Plattenkritik

DEFEATER - Defeater

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Info

Release Date: 10.05.2019
Datum Review: 21.05.2019
Format: CD Vinyl Digital

Tracklist

 

01. The Worst Of Fates
02. List & Heel
03. Atheists In Foxholes
04. Mothers’ Sons
05. Desperate
06. All Roads
07. Stale Smoke
08. Dealer / Debtor
09. No Guilt
10. Hourglass
11. No Man Born Evil

Band Mitglieder

 

Derek Archambault - Vocals
Jake Woodruff – Guitar
Adam Crowe - Guitar
Mike Poulin - Bass
Joe Longobardi – Drums

DEFEATER - Defeater

 

 

DEFEATER brauchen keine Schublade, sie sind ihre eigene. Wer will, klebt noch „Storytelling Hardcore“ dran und liegt so verkehrt nicht. Über insgesamt 5 Alben und eine EP erstreckt sich mittlerweile der Epos über diese verdammte Familie und ihre Tragödien rund um Schuld, Verzweiflung, Sucht, Ablehnung und der Suche nach Absolution.

Ihre einzigartige Mischung aus düster-vertracktem, aber immer eingängigen Hardcore in Verbindung mit dem lyrischen Konzept findet sich so eben kein zweites Mal. Seit ihrem überraschenden Debüt „Travels“ in 2008 wurde die Geschichte auf jeder Veröffentlichung aus der Sicht jeweils eines der namenlosen Protagonisten erzählt: Auf „Travels“ war es der jüngere Bruder, der erst den gewalttätigen Vater, dann den rachsüchtigen Bruder und schließlich sich selbst umbringt. Die „Lost Ground“-EP erzählt, wie der „Prophet In Plain Clothes“ zu diesem heimatlosen Rumtreiber wurde, den man im gleichnamigen Song auf „Travels“ kennenlernt. „Empty Days & Sleepless Nights“ schildert die Geschehnisse aus Sicht des älteren Bruders, während der Vater in seinen „Letters Home“ daran teilhaben lässt, welche Gräuel ihn zum gewalttätigen Alkoholiker werden ließen. „Abandoned“ war dem gottlosen und heroinsüchtigen Priester gewidmet, der der ebenso drogensüchtigen Mutter näher stand, als er es sollte. Das lyrische Konzept auf „Defeater“ lässt nun erstmals mehrere Perspektiven zu, lose Enden werden dabei verknüpft und bekannte Geschichten aus neuen Blickwinkeln betrachtet. Nicht die einzige Neuerung: Nach dem Ausscheiden von Gitarrist Jay Maas kurz nach der Veröffentlichung von „Abandoned“ (2015) und dem folgenden Hiatus (eine Konsequenz aus tourbedingten Zersetzungserscheinungen, Gesundheitsproblemen und Substanzmissbrauchs) stehen mit Frontmann und Geschichtenonkel Derek Archambault sowie Bassist Mike Polin nur noch zwei Gründungsmitglieder im Line-Up. Besonders das Fehlen von Maas macht sich bemerkbar, saß dieser doch bislang bei den früheren Veröffentlichungen zusätzlich noch an an den Reglern. Mit Will Yip (QUICKSAND, LA DISPUTE, BLACKLISTED, CODE ORANGE, CIRCA SURVIVE, TITLE FIGHT) hat man allerdings ein echtes Produzentenschwergewicht gewinnen können, in dessen Vita sich so ziemlich jede Band aus dem Spannungsfeld von Punkrock und Post-Hardcore aus den letzten Jahren findet. Yip verpasste „Defeater“ direkt einen neuen Sound: So ist Archambaults Stimme weiter in den Hintergrund gerückt, gleichzeitig geht es dank etwas mehr Dreck und Noise punkiger zu als zuvor. Der neue Sound steht der Band ausgezeichnet, denn er unterstreicht nochmal die eh schon düstere und hoffnungslose Grundstimmung. Das Tempo der Songs variiert dabei zwischen schleppend und treibend, wobei Joe Longobardi an den Drums einen exzellenten Job macht und dem Album mit seinem variablen, aber songdienlichen Spiel die nötige Durchschlagskraft verleiht. Wenn „No Guilt“ zuerst das Schlagzeug rollen lässt, während der Bass in der Ecke lauert und der Song dann angetrieben durch ein dreckiges Gitarrensolo losgallopiert, darf man sich schon Mal angenehm an CONVERGE zu „Axe To Fall“-Zeiten erinnert fühlen. Und auch das folgende „Hourglass“ mit seiner konstant auf- und abschwellendem Gitarrenfeedback weckt diese Assoziation. Die Single „Mother’s Sons“ zeigt dagegen mit viel Stop & Go und melancholischer Gitarre alles, was DEFEATER seit Beginn ausmacht. Das Glanzstück zum Schluss: Das abschließende „No Man Born Evil“ beginnt hymnisch, beinahe positiv, bevor dann in der Bridge plötzlich Jeffrey Eaton (MODERN LIFE IS WAR) dem Song eine neue Richtung gibt und es fertig bringt, dabei wie eine Mischung aus Tim McIlrath und Lou Koller zu klingen.

Wirkliche Ausfälle finden sich nicht, das war allerdings auch noch nie ein Problem bei DEFEATER. Trotzdem zeigten die letzten zwei Veröffentlichungen „Letters Home“ (2013) und „Abandoned“ (2015) den Trend zur Eindimensionalität, sowohl lyrisch als auch musikalisch. Mit ihrem selbstbetitelten Album finden DEFEATER aber wieder zu alter Stärke zurück und wirken so fokussiert wie seit „Travels“ nicht mehr. DEFEATER sind also immer noch ihre ganz eigene Referenzklasse, allen künstlichen Wellenbildungen zum Trotz.

Autor

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Daniel

Autoren Bio

Musikverliebt und reisefreudig, meistens nett und umgänglich, mit einer Gefühlspalette von "Live your heart and never follow" über "Hold Fast Hope" zu "I want to smash my face into that god damn radio / It may seem strange but these urges come and go"