Zwei Dekaden, ein Spielfeld. Erst wenn das letzte PANTERA-T-Shirt verwaschen, die furchtbarste PAPA ROACH-Single vergraben und der hoffnungsloseste Nachzügler vergrault ist, wird der nimmersatte Mob merken, dass die DEFTONES auch bloss mit Wasser kochen. Dennoch scheint der Siedepunkt der Band um Chino Moreno nicht von dieser Welt.
Eine Überraschung ist sie eigentlich nicht, die achte Studioplatte der Alternativerockband aus Kalifornien. Darf man "Gore" überhaupt so unbeholfen in eine Schublade stecken? Al-ter-na-tive? Rock? Himmel hilf. Facetten, Brett, Detail und die ungezähmte Dynamik werden fein säuberlich wegsortiert - "Doomed User" und "Acid Hologram" verbleiben nicht bloß als Angebertitel. Letzterer gräbt sich zehrend und verschlungen an seinem mächtigen Riff vorbei um Licht und Raum fuer Morenos intensiven Chorus zu schaffen. Im Anschluss präsentiert "Doomed User" ebenfalls die markante Handschrift der Band aus Sacramento. Emotionen und Power im Stile von "Around The Fur", Glanz, Kontrolle und Verspieltheit ala "Koi No Yokan" - dem Vorreiter zu "Gore", der nach dreieinhalb Jahren noch immer fest im Sattel sitzt. Die Finesse und Komplexität der DEFTONES macht Songs wie "Hearts And Wires" oder "(L)MIRL" zu spannenden Kunstwerken voller Antrieb und Präsenz. Dabei definiert die Summe der elf Stücke vielleicht nicht den Gipfel ihres Schaffens - von Rost oder Stillstand jedoch ist "Gore" meilenweit entfernt.
"Xenon" balanciert Melancholie und chirurgisches Handwerk zu einem vollkommenden Dreiminueter aus, dem die Attribute "zeitlos" und "exorbitant" auf die Stirn tätowiert wurden. Ein Auszug der Platte wird der Arbeitsweise von Moreno, Gitarrist Stephen Carpenter sowie Drummer Abe Cunningham, Technikfrickler Frank Delgado und Bassist Sergio Vega wie so oft nicht gerecht. Den Kern des Albums bilden weiterhin Stimme und Gitarre, die sich abwechselnd mit Kreativität überschütten, aber nicht einfach masslos nachkippen. Der Titelsong zeigt die Band energisch und in klassischer Form, "Phantom Bride" hingegen sphärisch und bedachter. An schwankender Körpermasse, Gerüchten und Tragödien - aber auch dem Guestspot von ALICE IN CHAINS-Frontmann Jerry Cantrell - vorbei können auch Rockstars mit Würde altern. "Gore" ist ein wohlschmeckender Beweis dafür.