STRIKE ANYWHERE, BE WELL und jetzt auch DON’T SLEEP – 2020 lässt die Herzen eines jeden alteingesessenen Melo-Punkrockers höherschlagen. Dave Smalley, ehemals Sänger bei DAG NASTY, ALL, DOWN BY LAW und DYS sucht sich Freunde und Bandkollegen zusammen, jammt mit diesen eine Runde und dabei kommt dann letztendlich „Turn The Tide“ raus. Ein Album, das sich anhört, als hätte es auch vor 15 Jahren erscheinen können. Oder, in schlechterer Qualität aufgenommen und mit weniger Gesangs- und Gitarrenmelodien versehen, sogar vor fast 30 Jahren. Dennoch ist die Platte ein willkommener frischer Wind in der Punk-Sparte. Als Produzent war kein geringerer als Walter Schreifels an den Reglern, allein das sollte als Qualitätssiegel vielen Lesern schon ausreichen.
DON’T SLEEP kommen mit einer knappen halben Stunde Albenlänge hin, in die sie 12 Songs packen. Nur zwei davon kommen über die 3-Minuten-Marke. Smalley und Co. haben auf den Punkt geschrieben, scheinen genau zu wissen, was sie hier abliefern wollen und präsentieren schnörkellosen und kurzweiligen Uffta-Uffta-Punk. Unter vielen hymnen-artigen Refrains sticht „No Other Way“ besonders hervor. Das eher durchwachsene STRIKE ANYWHERE Comeback-Album stecken DON’T SLEEP damit im Handumdrehen in die Tasche. Schade an der Geschichte ist lediglich, dass sich heutzutage kaum noch jemand für Punk interessieren zu scheint. Die Szene hat gewaltige Probleme, noch junge Nachkömmlinge zu erreichen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Altpunker weder Arthrose bekommen haben noch sich inzwischen zu fein für’s Pogen sind. Aber vielleicht dreht daran ja das kürzlich erschienene Remake von Tony Hawk’s Pro Skater was – auf den Soundtrack eines solchen Games hätten DON’T SLEEP bestens gepasst. Mit „The Wreckage“ und „December“ wird das Album dann zur völligen Überraschung des Hörers mit einem Reggae-Song und mit einem optimistisch klingenden Akustik-Song beendet. Für die notwendige Weitsicht, die es braucht, um diese Stile so geschmackssicher unter einen Hut zu bekommen, muss man wohl erstmal in die Jahre kommen.
„Turn the Tide“ dürfte jedoch nicht nur bei Cali-Punks, sondern auch bei Dischord-Fans Erinnerungen wachrufen. Auf dass die heimischen CD- und Plattenregale wieder einmal auf PROPAGANDHI, GOOD RIDDANCE und Konsorten abgesucht werden. Vielleicht kommt es ja gar dazu, dass junge Bands nochmal ganz neuen Wind in diese verstaubten Gefilde bringen. Denn so viel ist sicher: Das Melo-Punk-Revival wird, so wenn es denn kommen sollte (und das wage ich zu bezweifeln), nicht von in die Jahre gekommenen Baggy-Pants-Punks in Karohemden angeführt werden. DON’T SLEEP helfen jedenfalls ordentlich dabei, den Stein weiter ins Rollen zu kriegen.