Plattenkritik

Defeater - Empty Days & Sleepless Nights

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Release Date: 08.03.2011
Datum Review: 22.02.2011

Defeater - Empty Days & Sleepless Nights

 

 

DEFEATER, die großen Geschichtenerzähler mit Substanz im modernen Hardcore sind zurück. Weg waren sie selbstredend nie. Eindrucksvoll beweist diese Band zum wiederholten Male wie haushoch überlegen songschreiberische Finesse, ein durchdachter aber nicht verkopfter Überbau und allzu Menschliches kalkuliertem Imagegeseier sind. Hiernach sollten sich eigentlich sämtliche Poserbands schamversunken ihren Modelabels und oder Tattoostudios widmen. Das ist thinking-man’s-Hardcore, der direkt aufs Herz zielt.

Wobei der Vergleich mit allen Nicht-Bands der heutigen Szenelandschaft eigentlich völlig ins Leere geht. DEFEATER, und das zeichnet die Band seit jeher aus, stehen absolut für sich. Sie sind weder der Nullpunkt irgendeiner Entwicklung, noch das nächste große Ding. Streng genommen sind sie eigentlich die Band, die jeder auf melodieselige Bulligkeit, auf hakenschlagendes Pathos, auf enzyklopädisches Hardcorewissen Geeichte heutzutage erwarten darf. Nicht mehr und nicht weniger. Das Ding ist: Im Hardcore gibt man sich häufig mit Fast Food zufrieden. DEFEATER sind für länger gemacht. Built to last mal anders.

Dabei folgt die Band um Jay Maas ja auch nur ihrer persönlichen Evolution. Die Eckdaten, sie sind hinlänglich bekannt. Die mit "Travels" begonnene Großerzählung wird perspektivenverschoben weitererzählt. DEFEATER spielen demnach – man verzeihe das müde Wortspiel – immer noch den einzig wahren Post-War-Hardcore. Die beinahe alttestamentarisch anmutende Handlung, eine Apologie auf Scheitern, Schmerz, Verlust und Verlorenheit bleibt offen für Interpretationen. Dennoch sind es sehr klare Bilder, die hier erzeugt werden. Von „bottles“, „cold steel tracks“, von “soil covering your coffin”. "No Kind Of Home", nirgendwo. Und Heimat ist immer dort, wo alle vor die Hunde gehen. Zwischendurch gerät ständig jemand aus dem Tritt und macht es eigentlich nur noch schlimmer. Manch einer könnte das abgedroschen finden. DEFEATER jedoch finden mit der Sprache von gestern den richtigen Ton für heute. Die emotionalen Möglichkeiten eines modernen, absolut dicht gespielten Hardcoresongs beständig ausnutzend.

Womit wir (endlich) beim Thema wären: der Musik. Da ist ein Song wie 'Empty Glass', der eigentlich nur aus Tom-Spielereien, unverzerrten Gitarren und einer mehr als unmittelbaren Stimme besteht. Beängstigend nah, reduziert und doch so voll. Am Ende der große Ausbruch. Oder 'Dear Father', das eine unverhohlene Hymne sein könnte, Abnutzungserscheinungen jedoch bereits im Vorfeld irgendwo zwischen vertrackt und stetig wachsend geparkt hat. Und seien wir mal ehrlich: So mitreißend sind VERSE nie gewesen. Weil sie halt für die Parole gelebt haben. Und nicht immer für den Song. Überhaupt scheinen auf 'Empty Days & Sleepless Nights' (präziser: auf 'Empty Days') einige Songs auf dem Schlagzeug geschrieben worden zu sein. Das Fundament ist eigentlich immer ein ruheloser Takt. Vergleichbar einer angefressenen Aufbruchsstimmung, die eine Band wie BOYSETSFIRE mit "In Chrysalis" evozierte. Und doch weitaus weniger pathosbehangen. Dennoch absolut entwaffnend. Dem folgend ist 'Waves Crash, Clouds Roll' die passgenaue musikalische Übersetzung seines Titels, ausgestattet mit einer 90er New School-Gitarrenbreitseite. 'Warm Blood Rush' spielt mit seinen Widerhaken und 'White Oak Doors' gibt sich über seine gesamte siebenminütige Distanz derart skelettiert, schutzlos und bewusst angreifbar, dass er nur von einer Band geschrieben worden sein kann, die Durchhalteparolen sowie das Austeilen gegen alles und jeden noch nicht einmal andenkt. DEFEATER sind gebrochene Realisten.

Auf der Akustikseite wiederum wären DEFEATER mitunter gerne ruraler als sie es sein können. Dennoch schlagen sie sich nicht schlecht. Eine nette Dreingabe zum Runterkommen, so meint man zunächst. Dann wieder so ein DEFEATER-Trick: Gerade, wenn die vier Akustiksongs als nette Ergänzung einer fantastischen Platte zu geraten scheinen, kommt 'Brothers' und überführt die Dringlichkeit der Band in einen völlig neuen Kontext. Der Song nimmt gefangen mit spukender Atmosphäre, mit Schicksalscello, Piano und fatalistischem Unterbau. Derek Archambault kann auch anders mit fiebrig erregter Stimme. Wir atmen noch. Wir bezeichnen das als großes Glück.

Man muss sich nicht immer für das Schwierige, das Umständliche, das vermeintlich Hochintellektuelle entscheiden, um Bestand zu haben. Oftmals reicht eine gute, mit Leidenschaft verfolgte Idee. Hinter DEFEATER stehen Menschen. Das merkt man in jeder mit Schmerz ringenden Note dieses Albums. Deswegen sind sie von Bedeutung. Deswegen gelten sie Vielen als Rettung.

Tracklist:

01: Warm Blood Rush
02: Dear Father
03: Waves Crash, Clouds Roll
04: Empty Glass
05: No Kind Of Home
06: White Knuckles
07: Cemetery Walls
08: Quiet The Longing
09: At Peace
10: White Oak Doors

11: But Breathing
12: Brothers
13: I Don’t Mind
14: Headstone

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René

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