So langsam gerate ich in die Gefahr, auch einer von denen zu werden, die immer von den guten alten Zeiten reden. Gerade habe ich noch TURNSTILE für ihre übergroßen 90er Einflüsse abgefeiert und jetzt muss ich mich schon wieder in Sentimentalität ergehen. Zwar kommen DISCOURSE aus einer anderen musikalischen Richtung - New School SxE Hardcore sind die Zauberworte - doch atmet "Sanity Decays" ebenfalls derart den Spirit der 90er, dass mir die Freudentränen regelrecht in Fontänen aus den Augen schießen.
Zwar haben zuletzt schon andere Bands den extrem groovigen, leicht metallischen Sound der 90er zurückgebracht, doch DISCOURSE liefern hier gleich 10 Mal die absolute Essenz dessen ab, was Bands wie TURMOIL und SNAPCASE einst ausgemacht hat: maximale Intensität. Tatsächlich könnte man denken, TURMOIL hätten ein neues Album geschrieben und am Mikro Jon Gula durch Rob Fusco von ONE KING DOWN ersetzt. Die unglaublich groovigen, kraftvollen, oft vertrackten und dennoch eingängigen Riffs, die gnadenlose Rhythmus-Sektion, die fette Produktion - das alles klingt schlicht nach der perfekten Fortsetzung von TURMOILs Meilenstein "The Process Of". Vom ersten bis zum letzten Ton wird hier alles pulverisiert, es gibt nicht eine Sekunde zum Durchschnaufen. Dabei hält sich die Band aus South Carolina meist im schnelleren Midtempo-Bereich auf, drückt aber auch regelmäßig aufs Gaspedal, wie zum Beispiel in dem famosen "Nothing Fills The Void". Das groovt zwar zunächst wie Sau, nimmt aber auch immer wieder an Fahrt auf. Überhaupt variieren DISCOURSE das Tempo permanent, aber ohne dabei zerfahren zu klingen. Vielmehr bleiben die Songs schon nach dem ersten Hören hängen.
Ein guter Opener ist immer viel wert und "Cure" ist ein verdammt guter Opener. Mit einem Riff, das so klingt, wie ein gigantischer Bienenschwarm, der sich bedrohlich auf einen zubewegt, legen DISCOURSE ohne Kompromisse los. Dazu die hochgradig aggressiven und trotzdem komplett lässigen Shouts von Sänger Kyle und fertig ist ein Song, der einem die Kinnlade gleichzeitig öffnet und zertrümmert. DISCOURSE sind so hart, wie es moderne Metalcore-Bands gerne wären, aber niemals sein werden. Das wirklich absurde an "Sanity Decays" ist, dass es so qualitativ ohne Abstriche bis zum finalen "Oblivion" weitergeht. DISCOURSE schwächeln nicht eine Sekunde. Selbst einen "nur okayen" Song sucht man vergeblich. Egal, ob "Failed Automation", "Losing Game", "Bars Surround", "Another Wave" oder "Early Grave" - am Ende bleibt schlicht die Erkenntnis, dass DISCOURSE ein perfektes Hardcore-Album geschrieben haben.
Mit Closed Casket Activities haben DISCOURSE nicht das größte Hardcore-Label im Rücken, trotzdem dürfte sich soviel Qualität über kurz oder lang rumsprechen. Ich tue mich immer etwas schwer mit der Höchstnote, aber selbst bei kritischster Betrachtung kann ich hier nichts finden, was einer 10 von 10 widerspräche. "Sanity Decays" ist das perfekte Album.