Was war letzes Jahr der Aufschrei und das Entsetzen bei den DREAM THEATER Fans groß, als diese sich von Gründungsmitglied und Schlagzeuger Mike Portnoy trennten. Zwar waren die letzen Alben der New Yorker Prog-Metal Götter allesamt nur noch „sehr gute“ DREAM THEATER-Alben gewesen, trotzdem konnte man sich nicht ausmalen, dass die Band auch ohne Mike Portnoy, als einen der beiden Songwriter, weiter funktionieren würde. Als neuen Mann hinter den Kesseln wurde Michael Mangini eingestellt und für das nächste Album war Improvisation und Teamarbeit gefragt. Alle Mitglieder der Band waren gleichermaßen am Songwriting beteiligt. Die Frage ist nun, ob die Herren um Flitzefinger John Petrucci den Standard mit ihrem neuen Output „A Dramatic Turn Of Events“ halten konnten.
Die Frage sei schon hier, zu Beginn, beantwortet: Ja – nicht nur das, sie beschweren uns das wohl rundeste Album seit dem „Six Degrees Of Inner Turbulence“-Konzeptalbum.
Angefangen, mit dem bereits im Vorfeld bekannten „On The Back Of Angels“ starten DREAM THEATER mit einem typischen Longtrack durch. Schon hier fällt auf, dass Mike Mangini seinen Namensbruder in nichts nachsteht. Er spielt sein Instrument zwar weniger in der Vordergrund, agiert aber zu jedem Zeitpunkt auf höchstem Niveau. Ein weiterer veränderter Punkt, der schon hier ersichtlich wird, ist der Gesang. Dieser wird auf „A Dramatic Turn Of Events“ wieder komplett James LaBrie überlassen, der mit seiner Leistung an Großtaten wie „Images And Words“ oder „Awake“ anknüpft. Das folgende „Build Me Up, Break Me Down“ überzeugt mit seinem eingängigen Refrain und harten Riffs in den Strophen. „Build Me Up, Break Me Down“ wird sicher ein Livekandidat für die nächste Tour sein. Textlich dreht sich diese Nummer um den Aufstieg und den Fall eines Künstlers in der Gunst seiner Fans – Ereignisse, die DREAM THEATER wohl nicht aus ihrer eigenen Karriere, sondern aus dem heutigen kurzlebigen Musikbusiness kennen. "Lost Not Forgotten", Song Nummer Drei, hätte in dieser Form auch auf 2003er Werk „Train Of Thought“ stehen können. Mit „This Is The Life“ folgt danach die erste kleine Ruhepause des Albums. Das Tempo wird etwas herausgenommen und dem Lied Zeit für einen kontinuierliche Steigerung in der Lautstärke gegeben. Mit „Bridges In The Sky“ und „Outcry“ schließen danach zwei überlange, ausladende Tracks an, die mit Klasse Instrumentalpassagen und dem hymnischen Gesang James LaBries glänzen. Die beiden Balladen „Far From Heaven“ und „Beneath The Surface“ umschließen danach den wohl besten Track des Albums "Breaking All Illusions". „Far From Heaven“ und „Beneath The Surface“ werden zwar einfühlsam und ruhig vorgetragen, rutschen dabei aber nie in den kitschigen Bereich ab, wie es bei einige DREAM THEATER der letzten Alben der Fall war. Gerade „Beneath The Surface“ kann mit seiner fast minimalistischen Instrumentierung und einer tollen Melodielinie überzeugen. Mit "Breaking All Illusions" feuern die fünf Amerikaner ein ganze großes Feuerwerk der Musik ab. Tempo- und Taktwechsel hier, Stimmungswechsel da. Jeder der Musiker darf sich noch einmal beweisen. Dabei hat Keyboardhexer Jordan Rudess wohl die Hauptrolle. Auf keinem Song des Albums darf er sich so austoben wie hier. Ganz großes Ohrenkino!
DREAM THEATER ist mit „A Dramatic Turn Of Events“ ein unglaublich gutes Album gelungen, welches sich in ihrer Diskografie weit oben einzuordnen weiß. Die Band hat alle neumodischen Elemente, die sich auf den letzten Alben eingeschlichen hatten, über Bord geworfen. Sie haben sich auf ihre Stärke konzentriert: Typische DREAM THEATER Songs schreiben. Harte, vertrackte Teile treffen auf ausladende Instrumentalpassagen und hymnische Refrains. Das können die New Yorker immer noch am besten, damit wissen sie zu überzeugen. Jeder Fan der Band wird sich dieses Album sowieso bereits bestellt haben. Jedem Skeptiker sei gesagt, dass das Ausscheiden Mike Portnoys DREAM THEATER nicht geschadet hat – ich hätte nie gedacht, dass ich das jemals schreiben werde - sondern ihnen im Gegenteil geholfen hat, wieder hervorragende Lieder zu schreiben! Alles richtig gemacht. Anwärter auf das Album des Jahres!