Es gibt zwei Arten von Musikkonsumenten: Stumpfe und Unstumpfe. Seit 1985 (damals noch MAJESTY) beglücken DREAM THEATER letztere mit ihren musikalischen Ergüssen. Prog Götter werden sie genannt, berechtigterweise, verbanden sie doch schon Rock und Metal in progressiver Art und Weise, als andere noch ihr Dasein im Mutterleib fristeten. Aber auch Götter können nicht jeden Tag When Dream and Day Unite oder Images And Words schreiben, so muss konstatiert werden, dass einige den Olymp Scheiben nachfolgende Gaben keinen goldenen Nektar verdient haben. Mit Black Clouds & Silver Linings verteilen die fünf New Yorker aber wieder gewohnte Kost (die nicht nur von ihnen erwartet werden darf, sondern aufgrund der begnadeten Fingerfertigkeiten jedes einzelnen Mitglieds auch werden muss). Nicht nur das, sie scheinen es auf die Stumpfen abgesehen zu haben, respektive wollen sie dem Mob am Gourmet teilhaben lassen. So direkt, so nachvollziehbar, so schnell konnte selten ein Opus der Liga außergewöhnlicher Gentlemen ergriffen und begriffen werden. Black Clouds & Silver Linings erzählt sechs Geschichten, wobei lediglich eine kurze den Inhalt schmückt und als Singleauskopplung brauchbar scheint. Dominierend ist nach wie vor das Gitarrenspiel von John Petrucci, immer wieder lenkt er in Solopfade ein und spielt sich in den Berklee College of Music Wahn. Dann wären da noch die Drumeinlagen eines Mike Portnoy, die Hammond Orgel phrasierten Soli des Jordan Rudess undsoweiterundsofort. Wie sind die Songs eigentlich? Berechtigte Frage, die Songs schwenken von atmosphärisch verspielt, sind balladesk, fast schon emo (-tional natürlich) muten mitunter die Refrains an. Ecken und Kanten verleiht der hohe Anteil aggressiver Thrash Parts (immer modern, nicht old), die Black Clouds & Silver Linings immer wieder in die böse Welt schiebt. Das zehnte Goldstück der in die Jahre gekommenen Hübschen ist ein Abbild ihrer 80 Jahre Dauerwellen: Mal geht es stimmungstechnisch hoch, mal runter, dann wieder fies und herüber zum süß. Etwas auf der Strecke bleibt die eigentliche Stärke der Band, das Progressive, das musizieren im Delirium des Fortschreitens, das Verbinden von Elementen, die sich wie wild beißen, zusammen aber Kinder zeugen können. Vielleicht liegt es daran, das Black Clouds & Silver Linings die zweite Bewährungsprobe für Roadrunner Records darstellt, so, als wollen sie sagen, wir sind nicht nur für die da oben gut, sondern fangen auch Fische im bereits umgekippten Teich. Gewöhnungsbedürftig ist nach wie vor die Stimme des wohl am höchst singenden Sängers, der je eine Ausbildung zum Opernsänger genossen hat, James LaBrie. Wer von den Umstumpfen erinnert sich nicht an die kläglichen Debatten der Vergangenheit, die Bandmitglieder selbst losgetreten und ordentlich mitgetreten haben, wo es um die Daseinsberechtigung eines stimmlichen Halbgotts (die aber durch sein Aussehen wieder wett gemacht werden glaubt er zumindest) im Lager des Zeus ging. Sein Spektrum ist beeindruckend, aber im lieblichen Bereich liebäugelt er zu sehr mit dem Säußelnden. Ansonsten bietet Black Clouds & Silver Linings eine Achterbahnfahrt der Marke DREAM THEATER, technisch über jeden Zweifel erhaben, feuern sie ein Best Of Programm ihres bisherigen Schaffens. Vielleicht lösen auch die oben bisher nicht angesprochenen eine Karte zum Erschließen des musikalischen Anspruchsvollen.
Tracklist:
1. A Nightmare To Remember (16:10)
2. A Rite Of Passage (8:36)
3. Wither (5:25)
4. The Shattered Fortress (12:49)
5. The Best Of Times (13:09)
6. The Count Of Tuscany (19:16)