Jonas Bonnetta klingt auch auf dem vierten Album seines Indierock-Alteregos eher nach halb leerem als nach halb vollem Glas. Dabei sollte "Quiet Energies" mit Ansage eine Roadtrip-Platte werden. Wer es schafft, nicht ein einziges Mal an Überholspur oder Abgasdilemma zu denken, ist bei EVENING HYMNS noch immer an der richtigen Adresse.
Die acht Songs atmen das Flair der kanadischen Countryside, in deren Mitte Bonetta seine Kindheit und Jugend genoss. Eben dort erblickte der Nachfolger zu "Spectral Dusk" im abgelegenen Studio das Licht der Welt. "House Of Mirrors" ist eine warme Definition des Albums - weiche Melodien, gestrichene Gitarren, ungehetzte, zweistimmige Gesänge. Die Band zu den Ideen des bärtigen Kanadiers Bonetta fügt sich stets aus neuen Leuten zusammen - darunter Musiker aus dem THE WOODEN SKY- oder OHBIJOU-Umfeld.
"If I Were A Portal" kommt der gehauchten Landstrassenromantik nahe: Tiefe Akkorde, gemächliche Drums, Zeitlupen-Vocals, die den Hörer eine dicke Wolldecke umhängen. Ein vertonter Sternenhimmel in der Pampa, zu dem auch das hervorstechende "Rescue Teams" seinen Beitrag leisten kann. Der melancholische Titel beschäftigt sich mit dem Vater-Sohn-Verhältnis und wird von weicher Stimme und abseitiger Zupftgitarre getragen. "Just me in the valley, keeping a secret" bestätigt Bonetta in "Evil Forces". Auf seinem Selbstfindungstrip schaute der Songwriter im kalifornischen Joshua Tree Park vorbei - ein kreativitätsschaffendes Mekka im Bereich der Kunst und Musik. Der zweite Track passt ebenso auf das Bärenfell vorm Kamin wie zur "Strohhalm-im-Mund"-Badesee-Szene. "Maybe I´m just blowing off steam, maybe I´m just climbing the walls / To me all those people don´t look so happy" heisst es, bevor EVENING HYMNS ein weiteres Mal eine flächige Orgel durch wundervolle und stimmige Chöre ersetzen.
Selten setzt sich eine verzerrte Gitarre durch, stört aber wie im Falle von etwa "Oh Man You'll Walk Again And Again" nicht die Atmosphäre. Hier erinnert die Band an klassischen Americana oder Folk-geprägten Rock, der auf Albumlänge unauffällig und trocken bleibt. Es sind die Nuancen, die für Schübe unter den "Quiet Energies" sorgen: Das klingelnde Gitarrensolo von "Oh Man You'll Walk Again And Again", das phlegmatische Erwachen aus dem wabernden Nebel dank Klavier und Akustikgitarre im Intro zu "Light As A Feather". Auf jeden Fall aber der hörbare Bezug zu Ruhe, Besinnung und Natur, der Bonnetta hier eine knappe dreiviertel Stunde funkelnden, gerne auch halbleeren Nachthimmelrock verschafft.