„Weniger ist mehr“ ist eine Maxime, die im Metal eher selten anzutreffen ist. Ob Konzeptalben, Songlängen weit über zehn Minuten oder Images, die mit „larger than live“ noch eher unzureichend beschrieben sind, überall manifestiert sich der Anspruch nach Größe und dem Wunsch nach Epochalität. Ist ja auch kein Wunder, denn in kaum einem anderen Genre kommt so viel zusammen, was nach monumentalen Werken, nach den ganz großen Gesten und Emotionen schreit. Auch EAST OF THE WALL sehen sich in dieser Tradition und hauen uns mit ihrem Debütalbum gleich mal einen einstündigen Batzen vor die Füße, der vollgepackt ist mit wirrem Riffing und Laut-Leise-Spielereien. Dabei bewegt sich die Band allerdings auf einem äußerst schmalen Grad.
Denn EAST OF THE WALL sind musikalische Seiltänzer. Zielstrebig haben sie zwar ein Ziel vor Augen, drohen jedoch ausgerechnet dort, wo es am gefährlichsten wird, nämlich an der Mitte des Seiles immer wieder abzustürzen. Dabei geht zu Anfang alles leichtfertig von der Hand. Die Jungs können spielen, die Produktion ist fett und einen Mix aus MASTODON, DEVIL SOLD HIS SOUL und späten BURIED INSIDE mit an MISERY SIGNALS erinnernden Vocals fährt ja schließlich auch nicht jeder auf. Problematisch jedoch ist, dass die Amis im Grunde schon nach zwei Songs und gerade mal einem Viertel der Lauflänge ihr Pulver verschossen zu haben scheinen. Zu schnell hat man sich auf dem Papier vielfältig erscheinenden Songstrukturen gewöhnt, die zwischen wilden Gitarrenspielereien, dissonanten Noise-Einwürfen und atmosphärischen Ruhepolen in Form von zurückgenommenen Post-Rock-Parts hin und herspringen.
Springen ist dann auch der richtige Ausdruck, immer wieder beschleicht einen das Gefühl, dass EAST OF THE WALL zwar ihre Instrumente, nicht jedoch ihre Songs unter Kontrolle haben. Zu wirr wird da teilweise hin- und hergewechselt, zu wenig bleibt letztlich hängen. Das ist Problem Nummer Eins dieses Albums. Das zweite Manko stellt oben schon besagte Lauflänge dar. Denn nach dem wirklich starken „Salieri“ hat man eben im Grunde abgesehen von ein paar jazzigen Einschüben in „Wisp Of Tow“ alles schon gehört, was diese Band auszeichnet. Und sogar mehr. Denn die dort präsenten Blasinstrumente verstauben danach bis auf ein halbminütiges Intermezzo im Schrank. Und so ist „Ressentiments“ ein Album auf dem zwar oberflächlich gesehen eine Menge passiert, das am Ende aber stets die selbe Formel über einen viel zu langen Zeitraum bedient. Klar, das alles ist damit so homogen, wie es progressiv angehauchter Metal nun mal eben sein kann, droht aber im schon erwähnten, recht Klargesangs-lastigen Mittelteil zuweilen an seiner Monotonie beinahe zu ersticken. Jeder Break, jedes Riff scheint man schon davor gehört zu haben, „Aha“-Momente bleiben nahezu völlig aus.
Das ist schade, denn schlecht ist dieses Album mitnichten. EAST OF THE WALL haben Ambitionen, die handwerklichen Fähigkeiten und das Chuzpe, sich zwischen die Stühle zu setzen. Sie holen nur noch nicht genug aus diesen zweifellos vielversprechenden Grundanlagen heraus. Stattdessen legen sie mit „Ressentiments“ ein Album vor, das nach Straffung geradezu schreit. Weniger wäre eben doch mehr und wenn es nur eine Kürzung um zwanzig bis dreißig Minuten ist. So stürzt die Band zwar nicht in den Abgrund, rettet sich aber ab der Hälfte nur noch mit Ach und Krach über den Abgrund. Da geht noch mehr, Jungs!
P.S.: Das Album ist nun über i.corrupt-Records auch auf Vinyl erhältlich!
Tracklist:
1. "The Ladder"
2. "Salieri"
3. "Fool's Errand"
4. "A Wisp of Tow"
5. "Ocean of Water"
6. "It's Always Worth While Speaking to a Clever Man"
7. "Fleshmaker"
8. "Maybe I'm Malaised"
9. "A Long Defeat"
10. "Gordian Corridor"
11. "Handshake in Your Mouth"
12. "Don't Stop Bereaving"
13. "Beasteater"