Für viele Bands findet mit dem dritten Album meist so etwas wie eine Neujustierung des eigenen Seins statt. Einige wagen den Schritt ins Experimentelle oder sind damit beschäftigt, die letzten Scherben der Kreativität zusammen zu kehren. FJØRT haben einfach das definiert, was sie zu den interessantesten, deutschsprachigen Bands des Postcore Kosmos macht.
Plötzlich war es ganz ruhig um FJØRT. Das Trio lies sich auf nur zwei Sommer Festivals blicken und dann war da nichts. Bis zum September diesen Jahres herrschte Stille. Doch dann waren FJØRT in der blauen Hölle live und präsentierten in einer sehr gut inszenierten und fünfundzwanzig Minuten langen „Hotel Session“ einen intensiven Vorgeschmack auf ihr drittes Album „Couleur“.
Wenn FJØRT mit „Südwärts“ ihr Album eröffnen, fühlt man sich sofort wieder heimisch. Da ist der Bass, der so schön rau über dem Fundament knarzt, die massive Kraft des Schlagzeugs, die gegen die Trommelfelle drückt und der kehlige Gesang, der sich kraftvoll über die Gitarren legt. Sicherlich rauben die plötzlich niederknallenden „Monstertombs“ eine Sekunde lang die Orientierung, aber dann ist man angekommen.
Der erste Gang durch „Couleur“ wirkt vertraut. Aber bei genauerer Betrachtung stellen sich die Räumlichkeiten des atmosphärischen Postcore düsterer und gewaltiger dar als zuvor. Die zwölf Songs zeigen sich unberechenbarer. Auf einer bestimmten Art vielleicht sogar schwerfälliger, aber dank einer absolut perfekten Produktion auch wiederum kompakter als noch auf „Kontakt“. Musikalisch treten FJØRT mit einer wirklich atemberaubenden Perfektion und beeindruckendem Einfallsreichtum sämtliche Türen ein und reißen Mauern nieder, die ihren Sound Grenzen setzen könnten. Das hat Tiefe aber vor allem verdammt viel Kraft. Ein intensives Aufeinandertreffen, welches ab und an wie eine Mischung aus BIRDS IN ROW und THRICE klingt.
Textlich suchen FJØRT mehr Konfrontation und fordern definitiv mehr Beachtung. Auf jeden Schritt folgt eine Hand, die an der Schulter reißt und nach Aufmerksamkeit schreit. Sicherlich ist das nicht immer leicht verdaulich, aber dennoch in seinem Ausdruck notwendig. Auf „Couleur“ geht es nicht um Leichtigkeit oder um radiotaugliche, Charts stürmenden Radiorock. FJØRT suchen nach Kommunikation, nach Gehör. Ab und an vielleicht zu intensiv, aber niemals zu aufdringlich. Kein Zeigefinger, sondern nur ein Anstoß auch mal seinen Kopf zu benutzen. Zu hören und zu hinterfragen.
Gemessen an dem Mist der heutzutage von den Mailordercorekids gefeiert wird oder den austauschbaren Retortennonsenskombos, die hier und anderswo mit Höchstpunktzahlen ausgezeichnet werden, kann man unglaublich dankbar sein, dass es da draußen noch Bands wie FJØRT gibt. Bands die nicht müde werden, der Welt auf authentische und ehrliche Art mitzuteilen, wie scheiße und schlecht sie doch manchmal sein kann. Abschließend ist nur zu sagen, dass FJØRT mit „Couleur“ ihr Alleinstellungsmerkmal weiter verfestigen.