Dass sein neues Musikprojekt dermaßen durch die Decke geht, hat Frank Carter selbst und trotz hoher Zuversicht wohl kaum erahnen können. Diese Woche erscheint das zweite Album von FRANK CARTER AND THE RATTLESNAKES, welches den Titel „Modern Ruin“ trägt. Erneut auf dem bandeigenen Label „Death Cult“. Es zeugt von der Erfahrung Carters im Musikgeschäft, dass man einige Verantwortlichkeiten eher nicht aus der Hand gibt, sondern lieber eigenhändig anpackt. Dies gibt Carter und Co. auch die notwendige Freiheit, mit „Modern Ruin“ neue musikalische Ecken zu erkunden, die sich deutlich vom Debüt „Blossom“ abgrenzen.
„Modern Ruin“ heißt uns mit einem Intro namens „Bluebelle“ in Lo-Fi-Manier willkommen und deutet an, was sich im Laufe des Albums bestätigen wird: Es wird mehr gesungen und weniger geschrien. Der zweite Song „Lullaby“ wurde bereits Ende 2016 veröffentlicht und klingt weiterhin leidend, jedoch nicht mehr so wütend und verzweifelt wie auf der „Blossom“-Platte. Treibend geht es mit „Snake Eyes“ weiter. Ein Song, der mit starken Bilder untermalt als erster Video-Vorbote des Albums der Öffentlichkeit präsentiert wurde. Mein Eindruck hier ist, dass Carter den dicksten Schädel seit langem hat und nun um Vergebung bettelt. Kann jedoch auch metaphorisch gemeint sein. „Vampires“ hätte auch auf „Blossom“ gepasst, reiht sich jedoch mit seinem ansteckenden Refrain in den neuen Sound ein. Kurze Verschnaufpause und gleich weiter mit einem ähnlichen Sound - „Wild Flowers“ - welcher aufmerksamen Höher_innen bereits über den Weg gelaufen sein sollte.
Eine neue Richtung schlägt „Acid Veins“ ein. Mit einem atmungsfähigeren Sound, weniger komprimiert, ruhigen Passagen und prangernder Lyrik. Jedoch wird das Tempo erneut angezogen, sobald der Beat zu „God Is My Friend“ einsetzt. Nach „Vampires“ und „Wild Flowers“ habe ich nun das Gefühl, den selben Song erneut zu hörenn. Die Dynamik in den Refrains ist bei diesen drei Stücken recht ähnlich. Einen drauf setzen FRANK CARTER AND THE RATTLESNAKES mit der knapp ein-minütigen Dampframme „Jackals“. Ein Refrain von der eben erwähnten Sorte und „cut“.
Fans von „I Hate You“ sollten spätestens jetzt aufhören, da mit „Thunder“ eine ähnliche Stimmung aufgebaut wird. „Real Life“ verkörpert wohl am besten die Innovationsfreude der Band. Ruhige Strophen in Halftime-Rhythmik werden von einem drückenden Refrain abgelöst. Ein Reflektionsmoment mit dominierender Perkussion und einer Auflösung gen Ende machen dieses Stück zu meinem Favoriten. Für diejenigen, die nun eingeschlafen sind, sorgt der Titelgeber „Modern Ruin“ für Nostalgie. Hier wird geschrien und gekämpft. Ein angenehmer Rhythmuswechsel im Refrain vermeidet den Rückfall in das 0815-Muster. Zum Abschied bekommen wir eine weitere Klangneuheit, deren Ausgang ich jedoch nicht vorwegnehmen möchte.
Alles in Allem eine gelungene zweite Platte, mit organischem Mixing und einer breiteren Klangvielfalt. Und keine Sorge, ich traue mich zu sagen: Frank Carter ist still angry.