Frank Carter hatte sich ja nach seinem Ausstieg bei den britischen Hardcore-Punk-Durchstartern
GALLOWS zuletzt musikalisch etwas umorientiert. PURE LOVE, Carters gemeinsames Projekt mit Jim
Carroll (HOPE CONSPIRACY), stand dann auch eher für klassischen, fast schon poppigen Stadionrock
und hob sich somit deutlich von seiner alten Stammband ab. Zudem waren nicht wenige überrascht,
dass der rothaarige Brüllwürfel tatsächlich auch über eine sehr angenehme Singstimme verfügt.
Trotz viel Lob für ihr Album "Anthems" blieb der große Durchbruch für PURE LOVE allerdings aus
und hört man das vorliegende Album, so scheint bei Carter eine alte Wut neu aufgeflammt zu sein.
Der ehemalige GALLOWS-Fronter jagt wieder in seinem alten Revier und mit den RATTLESNAKES im
Rücken klingt er so angepisst wie schon lange nicht mehr.
GALLOWS ist dann auch ein gutes Stichwort, denn auf "Blossom" regiert harter, nach vorne gehender
und teilweise etwas chaotischer Hardcore Punk. Bereits der Opener "Juggernaut" erinnert stark an
Carters alte Spielwiese und bewegt sich stilistisch in der Schnittmenge von "Orchestra of Wolves"
und "Grey Britain". Im weiteren Verlauf des Albums bildet sich allerdings eine deutliche
Schlagseite hin zum ersten, etwas noisigeren GALLOWS-Release heraus.
Der Einfluss seiner alten Band ist nach kurzer Laufzeit ebenso naheliegend wie die Vermutung, dass
Frank Carter als kleiner ganzkörpertätowierter Junge sehr fleißig die SEX PISTOLS gehört hat, denn
auch deren Einfluss ist nicht von der Hand zu weisen. Stellenweise klingt der Mann wie eine
tollwütige Hardcoreversion von Johnny Rotten, so z.B. in "Trouble" und "Rotten Blossom" (welch
ein Wortspiel). Hier und da meine ich außerdem einen Hauch Refused herauszuhören.
Carter keift, schreit und brüllt sich herrlich aggressiv durch das Songmaterial, welches von Themen
wie karrieretechnischen Hürden, Religion, Tod, Beziehungen und was einen sonst noch so im Alltag
auf die Palme bringt bestimmt wird. Seine Singstimme lässt der charismatische Frontmann diesmal
allerdings zu Hause, die würde hier aber auch kaum passen. Nur beim melancholischen "Beautiful
Death" geht es ein wenig ruhiger zu, allerdings wird auch dieser Song immer wieder von zwischen
Wut und Verzweiflung schwankenden Eruptionen heimgesucht, bei denen sich der Sänger dermaßen
die Seele aus dem Leib schreit, dass sich seine Stimme fast überschlägt. Das Stück tanzt zwar etwas
aus der Reihe, bietet aber auch einen der intensivsten Momente des Albums.
Als ein weiterer stilistischer Ausreißer entpuppt sich dann noch der Abschlusstitel "I Hate You".
Hier kotzt sich Frank Carter sehr fantasievoll mit einer relaxt swingenden Band im Rücken über
einen offensichtlich sehr unangenehmen Zeitgenossen aus und entlässt den abgekämpften Zuhörer
damit schon fast beschwingt aus einem über weite Strecken schweißtreibenden Album.
Einziger Wehmutstropfen für mich ist eigentlich nur die eben etwas deutlicher ausgeprägte Tendenz
hin zu "Orchestra of Wolves". Carters unglaublich brutales Gebelle von "Grey Britain", bei dem
man zeitweise glaubte der Mann würde einem jeden Moment Blut ins Gesicht spucken, fehlt mir
auf "Blossom" ein wenig.
Fans der ersten beiden GALLOWS-Alben können aber eigentlich bedenkenlos zugreifen, denn FRANK
CARTER & THE RATTLESNAKES bewegen sich, wie bereits erwähnt, recht nah am Sound der Ex-Kollegen,
ohne dabei jedoch ein gesundes Maß an Eigenständigkeit und Frische vermissen zu lassen.
Auch wem GALLOWS und Frank Carter kein Begriff sind, wer aber grundsätzlich etwas mit Hardcore
Punk der etwas härteren Gangart anfangen kann und keine Angst vor gelegentlichen Dissonanzen
hat, sollte hier unbedingt mal ein Ohr riskieren.