Plattenkritik

Faith No More - Sol Invictus

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 15.05.2015
Datum Review: 15.05.2015
Format: CD Vinyl Digital

Tracklist

 

01. Sol Invictus
02. Superhero
03. Sunny Side Up
04. Separation Anxiety
05. Cone of Shame
06. Rise of the Fall
07. Black Friday
08. Motherfucker
09. Matador
10. From the Dead

Band Mitglieder

 

Mike Patton
Bill Gould
Mike Bordin
Roddy Bottum
John Hudson

Faith No More - Sol Invictus

 

 

Band-Reunions sind immer so eine Sache für sich. Meist enden selbige in einem eher fragwürdigem Schlaglicht, wenn sich Bands schlichtweg für ein paar höchstbezahlte Shows wieder zusammenfinden ohne dann früher oder später neues Material zu veröffentlichen. Beste Beispiele hierfür wären System Of A Down oder Rage Against The Machine. Auf der anderen Seite gibt es auch immer wieder Bands, die neben famosen Live Shows dann auch ein verdammt starkes Album hinterher schieben wie beispielsweise BLACK SABBATH mit "13". FAITH NO MORE dürfen sich mit ihrem Comeback-Album "Sol Invictus" in diesem exklusivem Club eintragen.

Die meisten Musikhörer, welche die Szene in den 90ern halbwegs verfolgt haben, werden FAITH NO MORE sicherlich mit "The Real Thing" und dem sperrigen "Angel Dust" in Verbindung bringen. Unter eingefleischten FAITH NO MORE Fans lautete die wichtigste Frage jedoch „was ist Dein Lieblingsalbum?“. Nur wenige Bands haben in ihrer Karriere so eine Konstanz auf solch einem hohen Level im Hinblick auf ihre Veröffentlichungen hingelegt wie FAITH NO MORE. Viele FAITH NO MORE Fans, inklusive dem Autor dieser Zeilen, werden mit Sicherheit behaupten, dass "King For A Day, Fool For A Lifetime" trotz enttäuschender Verkaufszahlen den Höhepunkt des Schaffens von FAITH NO MORE darstellt: es gibt kein anderes Rock Album, welches von seinen Verehrern so vehement verteidigt wird wie "King For A Day, Fool For A Lifetime". 

Wer hätte nun damit gerechnet, dass FAITH NO MORE nach den grandiosen Reunion-Konzerten in den Jahren 2009-2012 doch noch ein Album veröffentlichen? Richtig, nur die wenigsten. Aber die Band wäre nicht FAITH NO MORE, wenn sie erstens nicht für Überraschungen gut wäre und wenn sie weiterhin nicht still, heimlich und besonnen plötzlich mit einem neuen Album um die Fichte kommt. Das Line-Up, welches das Album eingespielt hat ist das Gleiche wie bei "Album Of The Year": Mike Patton, Bill Gould, Mike Bordin, Roddy Bottum und John Hudson. Weiterhin hat die Band das Album selbst produziert und auf Pattons Label veröffentlich. Sie hatte somit sämtliche Freiheitsgrade im kreativen Bereich.

"Sol Invictus" startet mit einem klassischen FNM Piano und kurz darauf Pattons unverwechselbarer Stimme, die nach ein paar Takten in höhere Oktaven wechselt. Nach einer Minute kann man somit schon feststellen, dass hier zweifelsohne FAITH NO MORE in Bestform am Werk sind: Das Songwriting stimmt, Patton singt noch immer wie ein junger Gott und die Produktion verzichtet auf jegliche Gimmiks wie Retrosounds, übertriebene Lautstärke und ähnliches.
Weiter im Programm geht es mit dem vorab veröffentlichten Song "Superhero". Man möge bei diesem Song bitte nur einmal darauf hören, wie sich das Keyboard Spiel von Roddy Bottum gepaart mit Mike Pattons Background-Vocals in den Refrain einfügen und wie dieser Song mit übersteuerten Vocals gepaart mit John Hudsons sphärischem Gitarrenspiel und Bottums genialen Keyboards ausklingt: diesen Spannungsbogen schaffen nur wenige Bands von all den wenigen Bands schaffen es FAITH NO MORE noch immer am besten. "Superhero" hätte sich nahtlos in "Angel Dust" eingefügt und wäre heute wahrscheinlich ein Klassiker wie "Midlife Crisis".
Auf "Sunny Side Up" zeigen FAITH NO MORE ihr gesamtes Facetten-Reichtum: der Song beginnt ruhig, wird nach ca 30 Sekunden richtig poppig und Stück für Stück wird das Lied immer dreckiger, Patton schreit mit übersteuerten Vocals um kurz darauf wieder den Refrain "Sunny Side Up" mit allerbesten Melodien zu singen. Im zweiten Teil des Songs werden die Gitarren von John Hudson immer funkier um den den Song schließlich mit fetten, straighten Rock-Gitarren zu beenden.
"Separation Anxiety" hingegen zeigt die dunkle, noisige Seite der Band und trägt klar erkennbar Bill Goulds Handschrift: dominantes Basspiel, reduzierte Drums, dezentes Drumming und noisige Gitarren. Zudem darf sich Patton hier voll auf seinem Vocal-Effektgerät austoben. Je länger der Song läuft, desto lärmiger und rockiger wird er. Ganz grosses Kino!
Nach all dem Gelärme gönnen uns FAITH NO MORE eine Durchschnaufpause: "Cone Of Shame"  beginnt mit ruhigen Gitarren und klassischem / melodiösem Patton Gesang. Zur Hälfte wechselt das Songwriting jedoch in Richtung Noise-Rock mit geschrieenen Vocals, welche schließlich in hymnischen Gesang wechseln um kurz daraufhin wieder mit voll durchgetretenem Gaspedal in Richtung Screams wechseln. Live dürfte dieser Song verdammt gut funktionieren.
"Rise Of The Fall" startet sehr funky, ja schon gar mit einem leich karibischen Touch und ist ein Lied, welches zahlreiche MR. BUNGLE Fans sehr glücklich machen wird. Ein typischer Mike Patton Song bei dem sich der Gute querbeet durch seine stimmliche Bandbreite austoben darf.
"Black Friday" gehört zu den eher schwächeren Songs auf der Platte, der initiale Akustik-Gitarren / Country Stil wirkt im Gesamtkonstrukt der Platte etwas fremd, auch wenn auch hier die typischen FAITH NO MORE Trademarks eingesteuert werden.
"Motherfucker", Song Nummer 8, ist die erste Auskopplung des Albums gewesen und manch einer hatte schon vermutet, dass der Song primär als Interlude auf "Sol Invictus" platziert wird. Dem ist nicht so: "Motherfucker" ist ein vollwertiger Song und macht im Kontext des Albums absolut Sinn. Im Bezug auf das Songwriting ist das Lied eine einzige Hommage an die großartigen 90er Jahre, man ist fast geneigt zu sagen „die guten alten Zeiten“.
Der vorletzte Song von "Sol Invictus" heisst "Matador" und startet mit klaren Epic-Anleihen, ohne aber wie ein billiger Abklatsch zu wirken: dafür ist der Song viel zu komplex. "Matador" ist sicherlich eines der komplexesten und anspruchsvollen FAITH NO MORE Stücke überhaupt. Hier gibt es auch nach dem zehnten Durchlauf noch einiges zu entdecken. Dieser Track gehört zu den besten Songs der FAITH NO MORE Karriere.
Zum Ende des Albums verabschieden sich FAITH NO MORE mit ruhigen Noten. "From The Dead" ist rein melodisch und im Bezug auf das Songwriting als Ausklang konzipiert: ein wenig beliebig, viele melodische Vocals, könnte im Kino im Abspann eines Films laufen und macht als solches auch Sinn.

Zusammenfassend kann man festhalten: "Sol Invictus" ist ein herausragendes Album, welches mit Sicherheit seine Wege in die oberen Best-Of-Ränge der Jahresendpolls schaffen wird. FAITH NO MORE müssen niemandem etwas beweisen und dennoch belegt die Band mit "Sol Invictus", warum sie über all die Jahre hinweg so viel Relevanz innehatte, daran ändert sich auch 2015 nichts. Einen Kommentar möchte ich abschließend noch zur Vermarktung der Platte machen: Faith No More haben auf jeglichen Social Media Terror und Hashtag Wahnsinn verzichtet, es gibt keine ausgefeilte Merch Invasion mit zig Album Bundles und es gibt nur eine Vinyl-Farbe, nur eine CD-Variante und ein Digital Release. Es ist schön, dass es noch Bands gibt, die anno 2015 auf all diesen Klamauk verzichten und einfach ein Album auf den Markt bringen, welches zudem noch verdammt gut ist.

Autor

Bild Autor

Michael P.

Autoren Bio

Allschools Gründer und Programmierer