Habt ihr schon? Nein? Dann los! Die Doku-Serie "Sonic Highways" begeistert mich fast ausnahmslos und sollte bei keinem selbsternannten Musikliebhaber fehlen. Das einzige Manko ist die etwas lieblose Gestaltung der DVD-Hülle. Kein richtiges Booklet; keine ausführliche Beschriftung darüber, welche Materialien und Episoden auf welcher Disc befinden… da habe ich von Familie FOO etwas mehr erwartet. Vermutlich wird auch hier davon ausgegangen, dass die meisten Leute die Online-Version herunterladen.
Das Konzeptalbum "Sonic Highways" schaffte es bereits im vergangenen Jahr in die Plattenregale. Seit Anfang April kann man sich nun mit der entsprechenden audio-visuellen Variante via DVD, Blu-ray Disc und iTunes bespaßen.Herr Grohl führte bei der HBO-Dokuserie persönlich Regie.
In acht Städten quer durch die U.S.A und somit auch in acht verschiedenen Studios (u.a. bei Querkopf Steve Albini) nahmen die FOO FIGHTERS je einen Song auf. Die Lyrics und die Musik der Songs sind stark von den Begegnungen in diesen Städten beeinflusst. Sequenzen der Interviews mit Einwohnern sowie Musikgrößen der Region wurden kurz vor den Aufnahmen in die Songs eingearbeitet; zudem haben verschiedene Musiker auch an den Aufnahmen mitgewirkt. An Prominenz wurde nicht gespart. Unter anderem plaudern Dan Auerbach von THE BLACK KEYS, Chuck D. von Public Enemy, Billy Gibbons von ZZ TOP, Carrie Underwood, Gitarrengott Joe Walsh, und Dolly Parton aus dem Kapellenkästchen. Ian MacKaye hat mir besonders Spaß gemacht – der ist grundlegend begeistert – von allem (und ein bisschen mopsig inzwischen, aber irgendwas ist ja immer). Die Reise führte die Rockband von Chicago nach Washington, DC, von Nashville nach Austin, von Los Angeles nach New Orleans und schließlich von Seattle nach New York City. In jeder der Städte floss auch die individuelle Musikgeschichte, zumindest in Teilen, in die jeweilige folge stark ein. Mir persönlich haben besonders in New York ein paar Aspekte gefehlt, aber vermutlich könnte man über jede, für die Stadt wichtige, Musikrichtung eine eigene Serie drehen.
Mir hatte das Album zu "Sonic Highways" bereits gut gefallen, aber durch das Schauen der Doku wurden die Texte eigentlich erst richtig unterfüttert. Der jeweilige Song wird immer am Ende einer Folge komplett gezeigt und rundet damit den kleinen Ausflug in eine amerikanische Stadt und ihre Musikgeschichte schön ab. So lernt man zum Beispiel, dass im Weißen Haus in der Bibliothek ein Buch mit allen Lyrics von Bob Dylan liegt – im Interview mit Obama kommt dann noch gleich die passende Geschichte dazu – und man weiß nicht so recht ob Dave Grohl oder Barak Obama aufgeregter sind. Vermutlich ersterer. Ein anderes Schmankerl bekommt man von Herrn Walsh geliefert, der kurz mal erklärt wie man Stevie Wonder auf dem Pissoir kennenlernt. Ich kenne da auch so eine Geschichte, wie man Dave Grohl im Klowagen eines Festivals kennenlernt, aber das würde jetzt zu weit führen.
Neben den Einblicken, die man in den jeweiligen Folgen bekommt, ist auf der vierten Disc zusätzliches Bonusmaterial zu finden. Besonders schön ist es dabei, einen Blick in die "Inside The Recording"-Sektion zu werfen. In den etwa viertelstündigen Sequenzen bekommt man einen recht freien Blick ins Studio während der Aufnahmen. Im Grunde ist es übriggebliebenes Material; frei zusammengeschnitten aus musikalischen Sequenzen und spontanen Albernheiten. Da ist wirklich für jeden was dabei. Gear Geeks können mal in Ruhe 'reinschauen', FänInnen der Band können verliebt quieken und Musiker kommen erst recht auf ihre Kosten. Der eine oder andere unter Euch wird es beispielsweise nachvollziehen können, wie es sich anfühlt (auch noch vor laufender Kamera) mit einem Barthaar im Mikro hängen zu bleiben.... Auch kommen nützliche Lebensweisheiten nicht zu kurz. Wusstet ihr, dass THE DOORS eine Gluten-freie Band waren? Und THE BLACK KEYES ebenfalls? Zumindest behauptet das eine (alkoholinduzierte) Theorie des Herrn Grohl. 'No Gluten? No Guten!', sagt er jedenfalls. Ansonsten reicht es auch völlig, sich an der sympathischen Band zu erfreuen. Taylor Hawkins scheint von allem immer und unablässig begeistert zu sein und freut sich wie ein kleines Kind sobald auch nur die Sonne scheint. Als Joe Walsh zum Gitarrensolo ansetzt, solltet ihr euren Blick auf den im Hintergrund vor Entzückung sterbenden Hawkins richten. Das ist wie Videos von Hundebabys angucken.
Ebenso unterhaltsam war die Szene, in der die Band spontan ein 'Ich-weiß-einen-guten-Song'-Medley startet und prompt QUEEN, U2, THE BEATLES und schließlich NIRVANA geovert werden. Herr Grohl und Herr Hawkins freuen sich wie nix Gutes. Bei "Lithium" angekommen (wobei zu diesem Zeitpunkt quasi beschlossene Sache ist, dass sie mit "Smells Like Teen Spirit" das nächste Konzert eröffnen), stellt Dave Grohl fest: 'Wow! Easy! Why aren’t our song so easy?'. Ohne alles verraten zu wollen: Es gibt viele schöne Momente und ich habe die Serie sowie die "Inside The Recordings"-Elemente sicher nicht zum letzten Mal gesehen.
Ob man FOO FIGHTERS Fan ist oder nicht – jeder musikbegeisterte Mensch (egal ob Jazz, Punk, Rock, Blues, ….) wird Spaß an der Serie haben. Im Grunde ist die ganze Kiste eine einzige Liebeserklärung an die Musik. Die Band ist dabei wie gewohnt angenehm anzusehen – weil schön UND auch noch sympathisch. Die typische grohl'sche Best-Buddy-Atmosphäre überträgt sich nicht nur auf die einzelnen Interviews, sondern auf die gesamte Serie. Das ist übrigens auch der Grund, warum diese Rezension so spät kommt. Zum einen wollte ich wirklich alles (!) sehen, bevor ich schreibe. Zum anderen, wurde ich so eingelullt von der ganzen Musikverliebtheit und den schönen Orten mit schönem Licht und Lachen und Herzblut: Ich schaffte kaum mehr als eine Folge am Abend, bevor ich selig davon träumen wollte, was ich am nächsten Tag im Probenraum so alles zu Stande kriegen möchte. Schön. Wirklich schön.