Plattenkritik

Frank Turner - Last Minutes And Lost Evenings

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Release Date: 12.10.2012
Datum Review: 08.10.2012

Frank Turner - Last Minutes And Lost Evenings

 

 

Der Rockmythos mit all seinen Gefahren, Klischees und Eigenarten – es gibt ihn wirklich. Nicht jeder Mensch, der Zeit seines Lebens mal mit einem Instrument in der Hand gesichtet wird, ist dafür geboren und stößt automatisch auf die Offenbarungen, die zahlreichen Geheimnisse und das alles bestimmende Zepter aus dem Lebenszirkus des Rock´N´Roll. Manch einer wird Astronaut, ein anderer lieber Freddie Mercury.

FRANK TURNER ist bekanntermaßen Anfang dreißig, im englischen Winchester groß geworden und freut sich über seinen Pint zum Curry. Was sonst noch wissenswert an seiner Person und dessen Ansichten ist, besingt der handzahme Akustikpunker seit „Sleep Is For The Week“, erst allein, mittlerweile mitsamt Bandgefolge. Nachdem Songs wie „Substitute“ oder „Father´s Day“ es über die Jahre um die Welt geschafft haben, findet sich Turner auf einmal als derselbe bodenständige und kumpelhafte Mensch mit denselben Musikern auf der Bühne der Wembley Arena wieder. BILLY BRAGG spielt im Vorprogramm, das weltberühmte Venue ist ausverkauft. Der dünne Brite wirkt zu recht etwas eingeschüchtert, als er die Bühne betritt.
Zusammen mit einer Art 15-Song-Best-Of aus der Federhand von FRANK TUNER und seinen SLEEPING SOULS als Audiopart dieser Doppel-Veröffentlichung gibt es das komplette Konzert in vorbildlicher Qualität und inklusive aller Highlightmomente: Franks Mutter beim Mundharmonikasolo on stage, die Konfettikanonen zum Abschluss und zwanzigtausend treue, anfeuernde Fäuste. Der Mann, um den es geht ist derselbe, der noch vor ein paar Jahren die Kellerräume und Kneipenecken mit seiner Akustikgitarre malträtierte. „The Real Damage“ oder das wunderbare „Long Live The Queen“ auch - allerdings schmücken sich die Songs in der riesigen Arena mit einer anderen Haut, die Turner mit Keyboards, Violine und Cowbell genauso sympathisch und vollkommen einzutüten weiß. Fankreis und Nachfrage sind immens gewachsen, bei FRANK TURNER jedoch ist das höchstens bei Herz und der Nervosität vor seinen Auftritten der Fall.

„Photosynthesis“, „I Still Believe“, „Dan´s Song“ – sie alle können auch ohne retrospektiven Reminder mittlerweile lauthals und inbrünstig mitgegröhlt werden – daher kommt Disc Eins mit Alibifunktion und blauem Auge davon. Der visuelle Teil von „Last Minutes & Lost Evenings“ allerdings kann sich für einen Live-Mitschnitt buchstäblich sehen lassen: „Sons Of Liberty“ mitsamt gefühlter Orchestergarde auf der Bühne wärmt das nickende Gemüt genauso, wie Turner ohne sein offenbar angeborenes Instrument bei „Somebody To Love“.
„FTHC“ blitzt es stets vom Banner hinter der Band herunter und erinnert über knappe zwei Stunden entzückt an die Wurzeln und ersten Schritte des Musikers, der hiermit eine Hausnummer für seine persönliche Karriere sowie die Fusion aus ehrwürdigem Arena-Frontmann und dem freundlichen Immernoch-Vorstadt-Nachbarsjungen perfektioniert.

Trackliste:

01. I Knew Prufrock Before He Got Famous
02. I Still Believe
03. Try This At Home
04. The Real Damage
05. Father's Day
06. Nashville Tennessee
07. Dan's Song
08. Substitute
09. Reasons Not To Be An Idiot
10. Sons Of Liberty
11. The Road
12. Long Live The Queen
13. The Next Round
14. Photosynthesis
15. The Ballad Of Me & My Friends

Autor

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Moppi

Autoren Bio

Alt, langweilig, tierlieb.