Plattenkritik

GIVER - Sculpture Of Violence

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Info

Release Date: 07.02.2020
Datum Review: 01.02.2020
Format: CD Vinyl Digital

Tracklist

 

01. Night Season
02. Sculpture Of Violence
03. Every Age Has Its Dragons (Like an Empire)
04. The Same Stream
05. New Gods
06. Evil Is
07. These Words Are Rain
08. Imitation Dreams
09. Longing for Death
10. Built In the Difference

Band Mitglieder

 

Robert – Vocals
Benni - Gitarre
Julian - Gitarre
Tiko - Drums
Chris – Bass / Vocals

GIVER - Sculpture Of Violence

 

 

 

Hardcore der allerbesten Sorte: Den Finger nie erhoben, dafür tief in allen Wunden der Gesellschaft. Und es sollte sich besser niemand einbilden, davon ausgenommen zu sein.

 

„She said "I can´t take this no more" / Dried her tears, closed the shanty door / Fourteen hour day and a floor to sleep / Sewing machine and a mother to three / I get up, turn and leave the scene / Pull the plug, close the laptop screen / What’s one to do about her living hell? / I sight, put on a Gildan shirt in L“ – Da kann sich selbst das vermeintlich aufgeklärte Hardcorekid nicht vor der umfassenden Konsumkritik in „Every Age Has Ist Dragons (Like An Empire)“ verstecken. Das übergeordnete Thema auf dem Zweitwerk der Kölner/Dresdner GIVER ist aber der Mensch und seine gewalttätige Natur – der Mensch selbst also als sinnbildliche „sculpture of violence“. So philosophisch geht es in den absolut herausragenden Texten aber nicht immer zu. Wenn es sein muss, werden GIVER auch gerne mal ganz konkret, wie im überaus mitreißenden Titeltrack: „Fuck sex / Fuck skin / Fuck nation / I wanna be my own creation / Fuck faith / And old foundations / I wanna be my own creation“. Fällt schwer, da nicht mindestens entschlossen zu Nicken. Vor allem, wenn die Message so mitreißend und eindringlich vorgetragen wird: GIVER erinnern angenehm an die großen Namen der ausgehenden 00er-Jahre, wie HAVE HEART (auf „Songs To Scream At The Sun“), VERSE, MODERN LIFE IS WAR, RUINER oder auch DEFEATER. Brachial und variabel, zudem mit dieser Sorte unterschwelliger Melodien versehen, die süchtig machen kann. Die Sorte Hardcore also, die nicht auf hirnlose Action im Pit zielt, sondern direkt aufs Hirn. Oder auf den Straßenkampf. In letzter Konsequenz droht „These Words Are Rain“ nämlich genau damit, wenn auch widerwillig: „And if talking back won’t make them stop / It comes down to these two things we´ve got / The ballot box / The ballot box / The ballot box / Or / The barricades“. Aktiver Widerstand als letzte Option. GIVER bleiben dabei aber unangreifbar, weil sie nicht nur gesellschaftliche Schieflagen anprangern, sondern auch überaus glaubhaft die eigene innere Zerrissenheit transportieren. Wie in „Longing For Death“, das mit seinem choralen Ende noch einen weiteren gelungenen musikalischen Akzent setzt. Ähnlich wie „The Same Stream“, das nach gut drei Minuten voller Tempowechsel eigentlich schon fertig ist, es sich aber nochmal anders überlegt und astreinen Thrash Metal nachreicht. Überhaupt hätte der Song musikalisch nicht sonderlich schlecht auf der aktuellen CONVERGE („The Dusk In US“) ausgesehen. GIVER verdienen sich also bereits mit dem zweiten Album die ganz großen Vergleiche. Und zwar völlig zu Recht. Überhaupt gibt es kaum Anlass für negative Kritik. Einige Details hätten eventuell anders gelöst werden können, wie der vereinzelt etwas zu gepresste Schreigesang in ruhigeren Passagen, die gesprochen vielleicht noch bedrohlicher gewirkt hätten. Frontmann Robert macht mit seiner maximal angepissten Stimme über die gesamte Strecke allerdings einen derart hervorragenden Job, dass das auf sehr hohem Niveau gejammert wäre.

 

GIVER zelebrieren zeitgemäßen Hardcore auf „Scultpure Of Violence“ in so bestechender Form, dass sie sich damit aus dem Stand zur Band der Stunde machen und punkten dabei in allen Aspekten: Produktion, Songwriting, Authentizität, Attitüde, Inhalt. Alles kulminiert im abschließenden „Built In The Difference“ so fatalistisch wie niederschmetternd: „Ten thousand years / Ten thousand years /If we really wanted peace / We´d already got it.“

 

Autor

Bild Autor

Daniel

Autoren Bio

Musikverliebt und reisefreudig, meistens nett und umgänglich, mit einer Gefühlspalette von "Live your heart and never follow" über "Hold Fast Hope" zu "I want to smash my face into that god damn radio / It may seem strange but these urges come and go"