Dieser unserer Tage einfach die Fresse zu halten, fällt aufgrund diverser aktueller Geschehnisse nicht nur in Deutschland und Europa schwer. Auch in Übersee würgt und protestiert die Punk- und Musikszene zu Recht aus vollem Halse. Kriegstreiberei, Menschenhetze, Wirtschaftskrise - dahinter die Maschinerie Staat, der niemand so einfach den Riegel vorschieben kann. Bei wem der Name Thomas Barnett im Bezug auf geballte Fäuste zunächst für zögernde Finger sorgt, der bekommt des Rätsels Lösung direkt mit den eröffnenden Zeilen von "New Abolition" geliefert.
"No way, Sir - Officer / Do our taxes keep your weapons loaded / Foot soldier / your endless war / is what we marched and voted for" erinnert sofort daran, wie überfällig ein neues STRIKE ANYWHERE-Album ist. Musikalisch wie inhaltlich bieten GREAT COLLAPSE da durchaus eine vitale Alternative. Melodischer, quicklebendiger Hardcorepunk unter Barnetts kreischsingender und markanter Stimme, präsentiert von einem Szene-Potpouri der Extraklasse: Chris Chasse schwor sich, niemals keine Musik mehr zu schreiben, als er 2007 bei RISE AGAINST ausstieg. Joseph Saucedo bediente schon bei SET YOUR GOALS den Bass, Todd Henning hingegen liefert(e) DEATH BY STEREO, HECKLE und mittlerweile NATIONS AFIRE Takte zwischen Hardcore und Alternativerock. Für das Debütalbum der politisch geprägten Westküstler GREAT COLLAPSE hielt man zudem LOVE EQUALS DEATH-Gitarrist Tom Arnott einen Platz im Tourvan frei. Das dutzend Songs kommt angriffslustig und geradlinig - und nicht selten nach dem Baukastenprinzip daher. Dennoch bietet "Holy War" keine langweilige Stangenware: "Break In Case of Emergency" könnte eine melancholische STRIKE ANYWHERE-B-Seite sein, erinnern doch sowohl Gesangslinien als auch Gitarren- und Schlagzeugstrukturen an die nackte Energie des Richmond-Fünfers. Midtempo-Singalongs liefern die Basis für "Waves", "Dawn Stations" zieht sich in neunzig Sekunden an klassischem Skatecore hoch und "Beyond Authority" deutet mit seinen Chören und seiner grantigen Anstachelung in Richtung jüngere ANTI-FLAG.
Immer wieder jedoch bohrt sich die Hausmarke Barnett ins Hirn all jener, die in STRIKE ANYWHERE die besseren Lehrmeister sehen, wenn es um die Vertonung moderner Politpunk-Brandsätze geht. Ein Song wie "Human Target" lässt da nur wage mutmassen, ob GREAT COLLAPSE bloß vorrübergehendes Ersatzsprachrohr oder schon heimliche Abdankung sind - heisst es doch immerhin von offizieller Seite "STRIKE ANYWHERE isn´t up to much this year". Fernab dieser 1:1-Vergleiche jedoch stellen GREAT COLLAPSE auf ihrem Debüt ein Dutzend gelenkiger bis muskulöser Punkrocksongs vor, melodiegetrieben und motiviert bis ans Limit. "The Ones Who Last" oder "Origins Of A Species" sind nicht nur inhaltlich Pflichprogramm für Besitzer früher RISE AGAINST-Platten oder Fans der melodischen Rastlosigkeit von NO TRIGGER. Schade eigentlich, dass GREAT COLLAPSE ihr europäisches Bühnendebüt als Support von u.a. RISE AGAINST & SILVERSTEIN in riesigen Hallen geben. Denn zu einer immensen Protestportion wie "Holy War" wird man lieber im intimen Rahmen Zeuge davon, wie das Blut in den Adern zu sieden beginnt. Ein Vorgang, der erneut und genau wie die Schärfe von GREAT COLLAPSE daran erinnern lässt, wie überfällig ein neues STRIKE ANYWHERE-Album wirklich ist.