„Okay“ - Zuspruch oder Fazit? GREAT ESCAPES legen ihr zweites Album vor und vergrößern nochmals die Schnittmenge ihres Emopunks mit Post-Hardcore. Ist das Ergebnis mehr als nur okay?
Die Vergleiche mit MUFF POTTER, die sich auf dem Debüt „To My Ruin I’ll Go Gladly“ vor sechs Jahren noch anboten, sind damit erstmal vom Tisch. Auch der charmant-rumpelige, an frühe No-Idea-Bands erinnernde Anstrich ist größtenteils abgeblättert: Dafür halten auf „Okay“ nun flirrende Gitarren und mehr Laut/Leise-Dynamik Einzug. Angekündigt hat sich diese sanfte Neuorientierung schon auf der EP „Shivers & Shipwrecks“ von 2018, die bereits melodischer und glatter ausfiel als das Debüt. Geblieben sind die vorwiegend englischen Lyrics; lediglich „Photophobie“ kommt in der Muttersprache des Münsteraner Trios daher. Ein Umstand, der verwundert, denn genannter Song ist das eindeutige Highlight auf „Okay“, nicht trotz, sondern wegen der deutschen Texte, die – man muss es so sagen – einfach wesentlich besser und passender klingen. Klar ist natürlich auch: Wer international bestehen will, muss international klingen. Musikalisch schaffen GREAT ESCAPES das durchaus, wie schon der Opener „Tyler“ beweist: Verwaschene, beinahe shoegazige Gitarren in der Strophe, Post-Hardcore-Drive und ein kleiner, melodischer Breakdown rücken die Münsteraner wenigstens grob in Richtung jüngste TOUCHÉ AMORÉ. Gut gelungen ist auch der melancholische, aber kraftvolle Rocker „You Are Welcome“, der durch einen Spoken-Word-Part von Benjamin Mirtschin (CITY LIGHT THIEF) zusätzlich Abwechslung bringt. Nicht so gelungen wirkt dagegen das etwas uninspiriert vor sich hinschrammelnde „Retry“ oder „Autumns & Atoms“, dessen ansprechende Strophe vom merkwürdig gelangweilten Chorus ein Bein gestellt bekommt. Zwischen den Polen steht dann noch „A Daily Death“, dessen Refrain zwischen eigenwillig und ansteckend changiert, im Ganzen aber dank der sehr schönen Melodieführung in der Strophe und der positiven Grundstimmung als gefällig durchgeht. Die restlichen Songs bewegen sich auf okayem Emorock-Standard. Und dort liegt die Krux: CITY LIGHT THIEF machen auf dem Papier alles richtig, vollends durchzünden wollen die Melodien aber nur selten - zu wenig bleibt im Ohr hängen. Ein positiver Ausreißer findet sich mit dem Quasi-Titelsong „Are You Okay?“ aber noch ganz zum Schluss, welches dann auch den Albumtitel auflöst: „Believe me / It’s okay to loose your mind / From time to time“. Unterm Strich aber gilt: Der Titel nimmt das Fazit vorweg.