Schwieriges Unterfangen: Den angestaubten Alternativerock von GREY DAZE müsste man eigentlich müde belächeln - wenn da nicht ein gewisser Chester Bennington zu hören wäre.
Richtig gelesen: Bevor er mit LINKIN PARK den unvergleichlichen Aufstieg von New Metal-Shootingstars zu einer der größten Rockbands ihrer Zeit ablieferte, ebnete sich Chester Bennington Mitte der Neunziger mit GREY DAZE quasi selbst den Weg. Die Band gründete sich 1992 in Phoenix, Arizona und veröffentlichte in Eigenregie die beiden Alben „Wake Me“ (1994) und „... no sun today“ (1996), bevor sie bereits 1998 aufgelöst wurde. Im Anschluss sang Bennington bei der kalifornischen Band XERO vor, die sich kurze Zeit später in LINKIN PARK umbenannte und denen schon mit dem Debüt „Hybrid Theory“ der ganz große Durchbruch gelang. Der Erfolg hielt bis ins Jahr 2017 an, auch, weil LINKIN PARK es schafften, sich von ihrem formelhaften New Metal zu lösen. Bennington, durch Missbrauch in seiner Kindheit und der Trennung seiner Eltern traumatisiert und drogenabhängig, kämpfte Zeit seines Lebens mit seinen Dämonen, die im Jahr 2017 endgültig Überhand gewannen – nur Wochen nach dem Suizid seines engen Freundes Chris Cornell. Wenige Monate zuvor verkündete Bennington noch die geplante Reunion seiner ersten Band sowie das Vorhaben, eine Auswahl ihrer alten Songs neu einzuspielen. Die restlichen Mitglieder trafen in Abstimmung mit Benningtons Witwe die Entscheidung, das Vorhaben in die Tat umzusetzen. So erscheint nun „Amends“, eine quasi-Werkschau, für die insgesamt 11 Songs aus beiden Alben neu aufgenommen wurden (alle Instrumente wurden neu eingespielt, die Gesangspuren von Bennington neu gemastert). Das führt zu zwei gegenläufigen Eindrücken: Auf der einen Seite ist da natürlich diese unvergleichliche Stimme von Bennington, der hier, man muss es so sagen, wirklich in jedem Moment überzeugt. Überhaupt: Selbst diejenigen, die schon zu Zeiten des großen Durchbruchs zu cool waren, um LINKIN PARK gut zu finden, mussten sich doch eingestehen, dass deren Sänger einfach unfassbar gut ist. So trägt diese Stimme nahezu im Alleingang ein Album, dass musikalisch leider genauso angestaubt klingt, wie man es befürchten musste. Wie auch immer Band und Produzent es schafften, trotz frischer Aufnahmen einen so dünnen und glatten Sound zu fabrizieren, bleibt ihr Geheimnis, aber Attribute wie „lebendig“ oder „dynamisch“ kommen wohl niemanden in den Sinn. Gleiches gilt dann leider auch für die Kompositionen an sich, wofür man die Band aber nicht wirklich kritisieren kann, sind die Songs doch Mitten in den Neunzigern entstanden und hörbar vom abflauenden Grunge-Hype beeinflusst. Gleichzeitig finden sich aber schon starke Anleihen eines Sounds, der nur wenig später als New Metal den Siegeszug um den Planeten antreten sollte. Eine gewisse Formelhaftigkeit kann man trotzdem kritisieren: Ruhige, Grunge-beeinflusste Strophe trifft auf (mehr oder weniger) kraftvollen Chorus mit groovigen Powerchord-Riffs, unterfüttert von einigen Elektrospielerein. Am besten funktioniert das Rezept beim druckvollen „The Syndrome“ oder der intensiven LINKIN PARK-Blaupause „Just Like Heroin“. Der Rest bewegt sich dann größtenteils im Bereich zwischen Mittelmaß und Langeweile, was besonders auf die zwei klavierballadigen Stücke „In Time“ und „Soul Song“ zutrifft. Als noch ok gehen der quasi-Titelsong „Morei Sky“ („And If I Had A Second Chance – I’d make Amends“) und das eröffnende, düstere „Sickness“ durch. Das Glanzstück aber bildet das abschließende „Shouting Out“ – die wesentlich luftigere und vorsichtig-optimistische Atmosphäre erinnert stark an jüngere Songs von LINKIN PARK und entlässt den Hörer nach all der düsteren Seelenpein halbwegs positiv.
Es fällt schwer, GREY DAZE und LINKIN PARK getrennt zu betrachten und das Album objektiv zu bewerten, selbst, wenn man Letzteren nur neutral gegenübersteht. Am besten sollte man „Amends“ als das wertschätzen, was es ist: Ein beeindruckendes Zeitdokument über die Anfänge einer der größten Stimmen der jüngeren Rockgeschichte.