Menschen vom Rhein die nach Hamburg ziehen, neigen zu kopfloser Liebe dieser Stadt gegenüber. So weiß auch GISBERT ZU KNYPHAUSEN das ein oder andere Lied auf diese Stadt zu singen. Wie jede Liebe läuft aber auch diese nicht immer ganz rund. Irgendwas ist ja immer. So kann auch der Himmel über bunten Kränen, Containern und Schiffen zuweilen unendlich tiefgrau und kalt sein. Schlaglöcher finden sich auch im Teer von Hamburgs Straßen. Die Elbe und der Hafen erzeugen mit ihren kommenden und gehenden Schiffen viel Traurigkeit, trösten aber auch über vieles hinweg, lassen Träume aufkommen von etwas wärmeren, helleren, welches keiner näheren Definition bedarf. Die genauere Definition kann aber auch jeder für sich selbst formulieren. Sich mit allen Vieren gegen das Grau wehren hilft dennoch manchmal auch nicht und ist oftmals vollkommen zwecklos. Und manchmal verfliegt hart erkämpfter Mut schneller als man es gebrauchen kann. Für diese Situationen hat GISBERT auch immer noch genügend verständnisträchtige Worte.
Trotz all dem Grau hat GISBERT aber einiges vom zeitweilig nöhlenden Zynismus seiner letzten Platte abgelegt und gewinnt sowohl textlich als auch musikalisch mehr Kraft. Er ist nicht zum vollkommenen Optimismus übergelaufen, kreiert aber mit seiner Band gerade in „Grau, Grau, Grau“ wahre Soundfarbfontänen, die über das Besungene hinwegtrösten und -tragen. Genug hebt er sich aber von seinen alten melancholischen Singer-/Songwriterqualitäten zum Widererkennungseffekt auf. „Kräne“ ist so ein absolut passendes und wundervolles Beispiel. Wenn er da nicht schon recht hat, dann weiß ich auch nicht. Hier wogt es kräftig zwischen Seemannsmelancholie und kraftvoller Aufbruchsstimmung. Der Kopf soll mal nicht so tun, als würde denken immer linear verlaufen. Der Containerhafen als Sinnbild des Lebens.
Hin- und hergerissen zwischen diesem Fern- und Heimweh weht diese Platte rastlos durch die Gehörgänge und möchte der Melancholie ein Schnippchen schlagen, kann sich nicht wirklich entscheiden, ob es besser ist vor ihr davon zu laufen oder sich ihr entgegen zu stellen. Die Welt ist grässlich und wunderschön, kommen und gehen, das sind die Gegensätze. Aber wenn alles nicht mehr hilft, hilft immer noch eine Fahrt mit der Linie 62. Sich einfach mal tragen lassen mit Wind in den Haaren und schreienden Möwen vor den Augen. Und spätestens da hat er sich das vollste Verständnis erspielt und man möchte sagen: Damit hast du sowas von recht! (Für alle die es nicht wissen: Die Linie 62 ist eine HVV- Fähre über die Elbe von den Landungsbrücken nach Finkenwerder, Övelgönne und zurück. Sollte man mal gemacht haben.) TINO HANEKAMP würde zu HVV- Fähren was anderes sagen, aber wer ist schon TINO HANEKAMP?
Tracklist:
1.Hey
2.Seltsames Licht
3.Grau, Grau, Grau
4.Es ist still auf dem Rastplatz Krachgarten
5.Morsches Holz
6.Ich bin Freund von Klischees und funkelnden Sternen
7.Kräne
8.Melancholie
9.Hurra! Hurra! So nicht
10.Dreh dich nicht um
11.Nichts als Gespenster