Das zweite GREY SEASON Album ist genau so ausgefallen, wie ich es mir erhofft hatte. Die Dormagener, die bereits mit ihrem Debüt „Septem“ zu überzeugen wussten, loten auf „Invidia“ ihre eigenen Grenzen aus und führen den Hörer immer wieder an die Klippe des Aushaltbaren. Nicht in der Form, dass die 10 Tracks versuchen, 62 Minuten spielerischen Wahnsinn zu generieren. Das schier Unaushaltbare ist die Spannung, die innerhalb der Songs aufgebaut wird und sich immer wieder durch hakenschlagende Wendungen, gar nicht oder nur zum Teil entlädt.
Dass die Jungs sämtliche depressive Spielarten der jüngeren Metalkultur auf dem Kasten haben, dürfte selbstverständlich sein. Dass sie sich nicht festlegen können und Emotionen in Noten gossen, auch. Aber es ist doch unglaublich gut zu hören, dass sich dabei eine Professionalität und ein spielerischen Können in diesem Album manifestieren, dass zu offenen Mäulern und magnetischen Blicken in das künstlerisch wertvolle Booklet führt. Du glaubst, die Geschichte in einem Song sei erzählt? GREY SEASON setzen noch einen drauf. Oder rechnest du damit, dass der Song am Ende noch einem Vulkan gleichen muss, GREY SEASON lassen ihn aber sanft wie eine Woge im salzigen Wind abschmecken und auslaufen. Entführt wird das Geschilderte auch von einer stimmlichen Darbietung, die die lesenswerten Textzeilen durchlebt, ein- und ausatmet.
"Invidia" überrascht, ist brutal, sanft, feinfühlig und zutiefst melancholisch zugleich, es ist vertrackt und einfach auf den Punkt. Es ist die Essenz dessen, was progressive Musik von heute für morgen ausmacht. Lasst euch in das Reich des Anspruchsvollen verführen und hört euch DAS Album in diesem Genre an!