„The Heritage“ zu beschreiben war einst ein schwieriges Unterfangen, ließ es doch so viel Freiraum für Interpretationen, dass mir nichts anderes einfiel, als die Geschichte zu verfassen, die beim Hören der Platte in meinem Kopf entstand. Das erschien mir damals am logischsten. Das ist nun einige Zeit her und nach einem kurzen Abstecher ins Land der EPs („Long Grass“) melden sich HER NAME IS CALLA mit „The Quiet Lamb“ zurück.
Ich stehe vor dem gleichen Problem. Es ist schwer die passenden Worte zu finden, um zu beschreiben, was während des Hörens passiert, was den unbedarften Hörer erwartet und vor allen Dingen, was HER NAME IS CALLA hier einmal mehr auf den Silberling bzw. das Vinyl pressen. Erneut ist es diese Musik, die an ein Kammerspiel erinnern mag. Meist ruhig und leise instrumentiert, immer völlig fordernd, bisweilen episch und in den seltensten Fällen ausbrechend. Manchmal muss man sogar ganz genau hinhören, um mitzubekommen, dass gerade überhaupt etwas passiert – so leise ist es. Viel Klassik, viel Post, viele Emotionen, besonders im Gesang (Tom Morris hat tatsächliche eine begnadete Stimme, die er immer, aber auch wirklich immer, passend einzusetzen weiß). Zerbrechlichkeit ist das richtige Stichwort. Die einzelnen Songgerüste wirken filigran, haben jedoch, wenn sie möchten, eine Wucht, die einen be- und erdrückt, einnimmt, fängt und hält. Das alles passiert jedoch auf eine bislang recht selten da gewesene subtile Art und Weise, so dass man manchmal einfach nicht bemerkt, dass man zehn Minuten auf ein und denselben Punkt in der Wohnung, der Bahn, wo auch immer gestarrt hat.
Der Vergleich eines schwarzen Lochs, in das man immer tiefer fällt, ohne auch nur den Boden erkennen zu können, zwingt sich unweigerlich auf. Die Musik ist wenig fröhlich, aber genau so wenig depressiv. Es ist ein unbeschreibbares Zwischenstück, eine Symbiose aus beidem. Mal grinst man beim Hören, obwohl es dafür eigentlich keinen Grund gibt, außer der Schönheit mit der hier gearbeitet wird. Das hingegen ist aber auch gleichzeitig der Grund für melancholische Gemütszustände und nachdenkliche Minuten. „Condor And River“ ist eines dieser Stücke, die einem im letzten Drittel förmlich zerstören möchten. Gleiches gilt für „Pour More Oil“. Texte, wie aus dem Leben gegriffen, poetisch verfasst und abgewandelt und einfach nur zauberhaft vorgetragen. Die kalte Hand, die einem ums Herz fasst, immer fester zudrückt, dabei aber gleichzeitig Wärme versprüht. Wärme und Hoffnung, obwohl einfach alles den Bach runtergeht. Eben völlig konträr.
„The Quiet Lamb“ ist ein erneutes Erlebnis geworden, stellt „The Heritage“ locker in den Schatten und hebt sich angenehm vom Postrock Standard der letzten Jahre ab, stellt etwas eigenes, ja, etwas ziemlich besonderes dar. Warum das so ist, muss am Besten jeder für sich selbst entscheiden, denn tatsächlich liegt hier eine Platte vor, die bei den verschiedensten Leuten eben auch die verschiedensten Emotionen hervorrufen wird. Jeder wird etwas anderes wahrnehmen und es somit auch anders interpretieren, ganz persönlich. Ein erneutes Stichwort: Wenn diese Platte eines besitzt, dann ist es Persönlichkeit! Auch wenn man sonst mit solcher Musik recht wenig anfangen kann, so muss man zumindest das zugeben. Wunderbar!
Tracklist:
01. Moss Giant
02. A Blood Promise
03. Pour More Oil
04. Interval One
05. Condor And River
06. Long Grass
07. Homecoming
08. Thief
09. Interval Two
10. The Union: Part One: I Worship A Golden Sun
11. The Union: Part Two: Recidivist
12. The Union: Part Three: Into The West