Eigentlich ist es ganz einfach. Wenn ich Musik hören will, höre ich Musik, wenn ich Nintendo-Sounds hören mag, gehe ich in den Keller und hole das angestaubte SNES samt Spielesammlung aus der hinterletzten Ecke und wenn ich mal wieder tierisch Bock auf Gefiepse habe, schließe ich mein altes 56k Modem an und versuche mich ins Netz einzuwählen. Doch was tun, wenn ich alles auf einmal will? Mit nur einer Sache alleine gebe ich mich selten zufrieden und doch habe ich niemals in Erwägung gezogen, zu solchen Zeiten ein HORSE THE BAND Album einzuwerfen. Zu fremd erschien mir diese Band und zu extrem gingen mir die letzten Releases aus diesem Hause auf den Sack. Und doch liefen Sie mir immer wieder über den Weg, meist in Form von „Cutsman“, welcher in den hiesigen Clubs auf und ab gespielt und frenetisch gefeiert wurde. Auch ich konnte diesem Song auf irgendeine Art und Weise etwas abgewinnen.
Ich bin zu spät. Viel zu spät. Ich weiß auch, dass viele Menschen auf „Desperate Living“ gewartet haben. Ich nicht! Ich habe keine Lust mich hier durchzukämpfen, ich kann jetzt keinen Stress gebrauchen.. Gleich zum Anfang von „Cloudwalker“ möchte ich am liebsten wieder auszuschalten. Das 8-Bit-Geklimper inklusive nervöser Breaks und abgefahrenen Cleanparts bis hin zu den Synthiesounds aus den 80ern macht mich unheimlich aggressiv. Damit nicht genug, denn in nur diesem Song verbraten HORSE THE BAND mehr Ideen, als einige andere Bands auf zwei Alben. Die völlig unpassenden Tempowechsel geben mir den Rest und der erste Stuhl fliegt durchs Zimmer, bis er an der Wand zerschellt. Einige kampfreiche Minuten, zerstörte Einrichtungsgegenstände und alles von mir fordernde Stücke später (das grandiose „Horse The Song“ habe ich bereits hinter mir) wundere ich mich zum ersten Mal. An den Händen blutend halte ich inne und werde durch den Anfang von „Science Police“ an diverse ED BANGER-Releases erinnert. Durch erstmals recht eingängige Strukturen und ein poppiges Gewand genehmigt mir die Band ein wenig Ruhe.
Ich bin ein Kind der 80er und deswegen lassen mich Tracks wie „Shapeshift“ oder auch „Between The Trees“ erneut aufhorchen, grinsen und wild umher tanzen. Für einen Film aus dieser Dekade, würden im Besonderen diese beiden Stücke einen perfekten Soundtrack abliefern. Dabei vergessen HORSE THE BAND jedoch nicht, wer sie sind und bieten mir genügend Möglichkeiten meinen Couchtisch in zwei Hälften zu treten und mein Sofa mit einem Messer aufzuschneiden, um danach wild mit dem weißen Innenleben um mich zu schmeißen. Im Augenwinkel bemerke ich meinen Schatten, wie er in der Ecke steht und mich erst hämisch an- und dann auslacht. Ich fordere ihn umgehend zum Kampf auf - „Rape Escape“ zwingt mich mit seinem aggressiven Grundton einfach dazu. Dabei vergesse ich, dass ich ein ziemlich lausiger Kämpfer bin und bevor ich den Gedanken zu Ende gedacht habe (etwas, was HORSE THE BAND auf „Desperate Living“ sinnbildlich übrigens so gut wie nie machen), spüre ich schon den stechenden Schmerz im Kinnbereich. Ein weiterer Hieb meines Schattens an genau die Stelle lässt mich theatralisch schreiend zu Boden sinken und alles hüllt sich zu Klavierklängen in schwarze Farbe.
Als ich aufwache findet „Desperate Living“ gerade sein Ende und ich mich in meiner eigenen Trümmerlandschaft wieder. Langsam richte ich mich auf und betrachte das Ergebnis, zu welchem mich HORSE THE BAND gezwungen haben. Als ich mich dabei erwische, wie ich an einem abgebrochenen Stuhlbein knabbere, merke ich erst, dass ich ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen habe und auf einmal weiß ich wieder, warum ich um diese Band bislang immer einen Bogen gemacht habe – sie macht mich unberechenbar, mindestens genau so, wie sie es ist.
1. Cloudwalker
2. Desperate Living
3. The Failure Of All Things
4. HORSE the song (featuring K-SLAX)
5. Science Police
6. Shapeshift (featuring Jamie Stewart)
7. Between The Trees
8. Golden Mummy Golden Bird
9. Lord Gold Wand of Unyielding (featuring Lord Gold and His Purple Majesty)
10. Big Business (featuring Ed Edge)
11. Rape Escape (featuring Valentina Lisitsa)
12. Arrive