Im Erscheinungsjahr des Gedichtbands „The Last Night Of The Earth“ hierzulande hat die Gainesville-Ikone unter den Gainesville-Ikonen nicht eine einzige Probesession absolviert. Trotzdem könnte der deutsche Titel des Charles Bukowski-Buches diesen Live-Giganten nicht passender beschreiben. Ein knappes „We´re HOT WATER MUSIC. We salute you!“ – und ab geht das Flanell-Schnitzel. „Auf dem Stahlroß ins Nirwana“ – sagt Bukowski. Chuck, Chris, George und Jason. „Live in Chicago“. Sagt die Gainesville-Ikone unter den Gainesville-Ikonen.
Erwartungen und Klickpunkte bei Livealben lassen sich nüchtern und an fünf Fingern abzählen: Hält die Band auf der Bühne, was sie (auf Platte) verspricht? Fügen sich die einzelnen Musiker einander, so dass es möglichst gewaltig knallt? Wie steht es um Tightness, den Sound oder die Stimme(n)? Es gibt nur wenige Faktoren, denen sich HOT WATER MUSIC im Rahmen ihrer Karriere nicht auf ihre eigene musikalische Art und Weise genähert haben. Vom Keller bis in die Arena haben sie geschwitzt, geschrien, gelitten und gepunktet. „Live In Chicago“ tut (nach "Live At The Hardback" im Jahre 1999) das alles in dreißig Titeln und neunzig Minuten. „A Flight And A Crash“ löst Spannungen und wärmt auf, um den Patronenhagel aus „Remedy“, „Jack Of All Trades“ und „Kill The Night“ zu überstehen. Chucks Organ zerpflückt und fügt wieder zusammen, Jason Blacks Bass ist ausgelotet und ebnet unten rum. Der Mitschnitt aus der Metro in Chicago stammt von zwei Nächten und aus dem Jahr 2008 - somit ist mit „God Deciding“, „Paper Thin“, „Wayfarer“ oder „Free Radio Gainesville“ ein gesunder Schnitt durch den HOT WATER MUSIC-Katalog gegeben, der Platz für alle Hits lässt, aber trotzdem nicht runter- oder ausgeleiert daherscheppert. „No Division“ oder „I Was On A Mountain“ kratzen lebendig und ausgeschlafen auf perfektem Pegel zum Anfassen und Mitfühlen so wie die Band seit eh und je im Kreise ihrer Seelenverwandten steht. Keine Minute zuviel wird von ausschweifenden Ansagen oder fraglichem Klangbrei abgeschnitten - kein Intro, keine Pinkelpause bleibt auf „Live In Chicago“ zum Nachschenken oder Heizung herunterdrehen. Beeilt werden sollte sich zwischen dem Opener und dem ehrwürdigen „Hard To Know“ höchstens von Hörerseite, denn die 3-fach-Vinylversionen gibt es pro Farbe lediglich 550 Mal. Wer die Silberlingsedition des Paketes vorzieht, wird hingegen mit Bonus-DVD inklusive Zusatztracks belohnt.
Euch gebührt Dank, HOT WATER MUSIC. Dafür, dass Ihr Ängsten und Zweifeln im Bezug auf Live-Veröffentlichungen ohne Vorwarnung mit Euren Riffs und Chören die Schienenbeine zermürbt. Und natürlich, weil „Live In Chicago“ gelassen, „true“ und heimatverbunden – vor allem aber NACH Weihnachten – via No Idea Records erscheint. So darf sich die beliebte Wellenflamme – nur allzu gern in Tintenform auf Oberarm oder Wade verewigt – ruhig ungesehen zärtlich auf die Schulter klopfen. Die Gainesville-Ikone unter den zahlreichen Gainesville-Ikonen wird, ist und bleibt man schließlich nicht umsonst.
Trackliste:
01. A Flight And A Crash
02. Remedy
03. Wayfarer
04. Trusty Chords
05. Jack Of All Trades
06. Rooftops
07. End Of A Gun
08. Better Sense
09. Kill The Night
10. Instrumental
11. Free Radio Gainesville
12. Giver
13. All Heads Down
14. Moonpies For Misfits
15. God Deciding
16. I Was On A Mountain
17. No Division
18. Just Don’t Say You Lost It
19. Old Rules
20. Swinger
21. Our Own Way
22. Choked And Separated
23. Manual
24. Paper Thin
25. Turnstile
26. Years
27. The Sense
28. Alachua
29. Position
30. Hard To Know