Geschmäcker sind verschieden. Es gibt Menschen, die brauchen möglichst intensives und brachiales Geballer. Andere legen eher Wert auf schmierige, klar gesungene Refrains, die sich anhören, als hätte man dem Sänger in die Eier gekniffen. Dann gibt es noch die Gattung derer, die den Schwerpunkt auf ausgefeilte Melodien legen und oftmals etwas genauer hinhören, um auch nur jeden Ansatz einer solchen in sich aufzusaugen. Genau so entstehen sie, diese unterschiedlichen Geschmäcker, die immer wieder Streitpunkte zwischen den Fronten aufwerfen. Es gibt aber auch Bands, die versuchen, dies alles unter einen Hut zu bringen. Zu dieser Art gehören auch IT PREVAILS. Auf „Capture & Embrace“ versucht die Band genau diesen Spagat und ist dabei auf den ersten Blick vor allem eins: langweilig und belanglos! Man kämpft sich durch die Songs, versucht etwas besonderes zu finden und scheitert immer wieder. Man muss gestehen, dass das Ganze wirklich gut klingt und auch sehr dick produziert ist, letzten Endes fehlt es aber einfach am nötigen Puderzucker auf dem Kuchen, um ihn wirklich schmackhaft zu machen.
Es ist der sechste Durchlauf, als auf einmal die Bombe zündet, einen völlig zerfetzt und alle Zweifel pulverisiert. Plötzlich reißt einen die Aggressivität des Openers „Today“ mit. Die Stimme von Frontmann Ian Fike, der sich zu weiten Stellen anhört, wie eine gelungene Mischung aus Geert van der Velde zu SHAI HULUD Zeiten und Cliff Rigano von DRY KILL LOGIC, überzeugt auf einmal gänzlich, sogar in den klar gesungenen Stellen (auch wenn sie nicht zwingend den eingangs erwähnten schmierigen Charakter verlieren). IT PREVAILS haben das Händchen für ordentliche Melodien und die Breakdwons an den richtigen Stellen und scheinen genau zu wissen, wie man den Hardcore der neueren Schule vorträgt. Jetzt sind sie stark, kämpfen sich heraus aus der Belanglosigkeit und wagen den Griff nach der Spitze des Berges, statt mit dem ins Klo alles zu verlieren. SHAI HULUD meets THURSDAY (man höre sich die Gitarrenlinien jeweils an den Anfängen von „Refusing“ und „Trials“ an und vergleiche sie mit einigen auf „Full Collapse“) meets irgendeine Emo-Band - so ungefähr darf man sich den Sound der Band aus Denver vorstellen. Schön zu beobachten ist dabei die verschiedene Herangehensweise an die Songs. Wenn der Text es verlangt, tritt man auch mal für einen ganzen Song auf die Bremse („Failing“) oder schießt ordentlich nach vorne („Capture“), was für das nötige Maß an Abwechslung sorgt. Nach und nach kristallisiert sich dann auch heraus, dass sich IT PREVAILS beim Schreiben der einzelnen Stücke tatsächlich Gedanken gemacht haben und nicht einfach nur wild umher kopieren. Immer wieder hört man die Ideen heraus, mit denen man versucht und es zu großen Teilen auch schafft, sich aus der Masse hervorzuheben und lässt einen interessierten und nach dem nächsten Durchlauf endlich sehr angetanen Hörer zurück.
Die zehn Songs auf „Capture & Embrace“ sind der beste Beweis dafür, dass man das Rad nicht immer neu erfinden muss und vor allen Dingen kann. Es braucht seine Zeit, bis die Rechnung der Band aufgeht und den Hörer mitreißt. Ist dieser Zeitpunkt aber gekommen, wird man mit diesem Album auf lange Zeit gesehen definitiv seinen Spaß haben, denn hier bekommt man alles, was man braucht: Intensität, Melodien am laufenden Band, ordentliche Songstrukturen, die zwar vertrackt, aber nicht zu verkopft sind, Geschrei, Gesang und vor allen Dingen merkt man jedem einzelnen Mitglied seine Spiellaune an – eine Sache die man nicht unterschätzen sollte. Wir können uns jetzt gerne über die Bewertung dieses Albums streiten, aber was habe ich anfangs gesagt? Richtig, Geschmäcker sind verschieden!