JOHN ALLEN packt seinen Koffer. Mit Schlafzimmerpiano im Schlepptau und dem Blick wahlweise nach vorne, unten oder hinten gerichtet, reist der Songwriter durch die musikalische Vergangenheit der USA und das eigene Leben. Und bittet sein Publikum indirekt, auf Gespräche und Atmung zu verzichten.
Nach "Sophomore" schickt der folkige Wandersmann seine Skills an den Tasten an. Und zwar ausschliesslich dort. Zunächst Roadtrip-like, mit SIMON & GARFUNKELS "America" auf dem OP-Tisch. Das klingt schwermütig, beinahe erdrückend. Auf der einen Seite todtraurig. Auf der anderen bodenständig, spannend und menschlich. ALLEN haucht sich mit seinem zerkratzten Organ weiter durch die Ostküstenerzählung "Criminals & Baseball Stars", wird lauter, dann wieder leiser, baut Nuancen ein und klagt. "There was music and excitement in every breath of air / there was all that we could dream of but no one seemed to care". Ist das derselbe Künstler, der eben noch nach Unterarmtattoo, CHUCK RAGAN und Flachmann klang?
Mit dem Opener und der noch düstereren Version von TOM WAITS´"Ruby´s Arms" knöpft sich der Hamburger Songwriter gleich zwei authentische und prägende Stücke vor, die seine emotionale Songsammlung aus Klavier und Stimme vervollständigen sollen. Die Umsetzung passt perfekt. JOHN ALLEN lässt den Stücken viel mehr Raum als bei der "klassischen" Umsetzung mit Akustikgitarre und schenkt ihnen wenige Möglichkeiten zum Abbiegen. Keine Chöre, kein Ablenkungspotential. Ziemlich nackt und düster, aber verzaubernd klingt das während "Thou Shalt Be Saved" und "Close Your Eyes", erst später verläuft sich "Home" kurzzeitig in die vernebelte Stammkneipe. Insgesamt zeigt JOHN ALLEN auf "Orphan Keys" eine neue, sehr persönliche Seite voller Schauer und Gänsehaut. Gleichzeitig steckt Hoffnung in den sieben Songs, denen mit knapp vierzig Minuten großzügig Spielzeit eingeräumt wird. "In every lonely hour and in every heavy storm / keep your faith, Rock´n Roll will save your soul". Der Spirit und dessen Übertragung funktionieren wahrhaftig auch am Klavier.