HEY WORLD GANG // BRIAN AND DAVID HERE (AGAIN): Wir haben bloß schlappe drei Jahre für unsere neue Platte gebraucht. Sie heißt "Celebration Rock" und nein, der Titel ist kein Scherz. Es ist unser persönliches "Appetite For Destruction". Das Cover der Neuen sieht aus wie das Cover der Alten. Acht Songs sind drauf, Ewige-Jugend-Hedonismus-College-Shoegaze-Granaten vor dem Herrn. Nein, die Vorgängerplatte hatte auch nicht mehr Songs. Ja, hier ist alles ein bisschen dringlicher, reflektierter, rockistischer, eingängiger, aufgekratzter. Fistpumping music für die Generation-Pitchfork mit Bildungsabschluss. Und jetzt euren Freund/ eure Freundin beschlafen. Bitte. Alle. Danke.
Wenn Hedonismus, Rockstarposenzitation und Luftschlagzeugeuphorie zu ermüdender Knochenarbeit werden, heißt es Pause machen. Durchatmen, Originale hören, soziale Netzwerke schlafen lassen, Bauch rein, Brust raus. Im Hinterland ankommen und wieder ausbrechen. Brian King und David Prowse aus Kanada, wohnhaft im Schlafzimmer deiner Schwester, standen mächtig unter Nachlegedruck nach einer Foren durcheinanderwirbelnden Hedonismusbekenntnisplatte wie sie "Post-Nothing" ja immer noch ist. Irgendwer sprach im Jahre 2008 des Herrn („No God. Only Japandroids.“) von einer soundästhetischen Revitalisierung des SST-Gedankens. Von der guten alten Zeit. Von Schlagzeugwirbel, überlebensgroßer Halsschlagader und Mädchen-Knutschen-Texten für Erwachsene mit Weißkordelkapuzenpullovern und mittelangeberischer Plattensammlung. Brian King und David Prowse wissen seitdem, wie es ist, aus dem Wohnzimmer zu kommen ohne große Absichten und plötzlich liefern zu müssen. Vielleicht haben sie deshalb in der Livesituation nicht immer alles gegeben. Sie wollten Mensch bleiben, wenn der Schwitzmob sie auf Händen trägt. Ein Schlagzeug, eine Gitarre, zwei Stimmen. Das ist noch immer so.
Wobei selbst der eingefleischteste Fan wird zugeben müssen, dass die zwei erst nach dem großen Knall so richtig gewachsen sind. Mit 'Art Czars', mit der hypnotisch-druckvollen, halluzinogenen Wirkung von 'Heavenward Grand Prix' und vor allem mit 'Younger Us'. Dem Song, der mehr über diese Band aussagt als jeder von dieser Band höchst selbst verfasste Waschzetteltext. Kein Wunder also, dass diese völlig befreite, verspätete Coming-of-age Hymne auch auf dem neuen Album zu finden ist. An sechster Stelle. Davor gibt es: angedeutete Feuerwerke mit Selbstzitat ('The Nights of Wine and Roses'), klassisches, durch den JAPANDROIDS-Amp gedämpftes Rockriffing mit hinterherhechelndem Schlagzeug ('Evil’s Sway') sowie schnörkellose Punkpunch-Oden an den Touralltag und den einen, brutalkurzen Moment auf der Bühne, auf den alles hinausläuft ('Adrenaline Nightshift'). Danach gibt es: den landläufig mittlerweile bekannten alle-Hände-in-die-Luft-say-yeah (YEAH!!!) Breitwandgassenhauer 'The House That Heaven Built'. Oder dieses latente 'Baba O’ Riley'-Feeling in 'Continuous Thunder'. Dem wahrscheinlich existenziellsten, tiefgründigsten Song, den JAPANDROIDS bisher zu verantworten haben. Fuck not what fireworks stand for.
JAPANDROIDS haben immer noch die Chuzpe und das Understatement, sich als Rip-Off-Band zu bezeichnen. Sie sind die Typen, die die Typen lieben, die die wirklich großen Alben gemacht haben. Brian King und David Prowse müssen knochenhart arbeiten für leicht klingende Songs. Für bloße Kopisten jedoch klingen sie nach wie vor sehr eigenständig. Ob sie die bewusst nachlässig-passgenau gestimmten Gitarren geklaut haben von HÜSKER DÜ, die knarzig durchgetretene Bassdrum von MC5, das Gitarrenflirren und die total durcheuphorisierten Doppelharmonien von guten Frühneunziger-Emo-Bands ist eigentlich völlig nebensächlich. Wenn das Ergebnis klingt wie die beste Party von Musiklebensrettern, auf die DU nicht eingeladen bist. Das neue Gute unter der Sonne ist immer nur das Alte, das sich abarbeitet an den gewachsenen Auswahlmöglichkeiten. Mit etwas Glück und viel musikhistorischem Sachverstand kommt dann eben eine Platte raus wie "Celebration Rock". Fassen wir den Subtext zusammen: Brian Fallon glaubt an Jesus. JAPANDROIDS an den Rockgott und die rückwärtsgewandte Schrammelevolution. Acht feel good hits for the summer. Amen. Insgesamt ist das wohl ziemlich gut für eine Platte, die es beinahe nicht gegeben hätte.
Tracklist:
01: The Nights Of Wine And Roses
02: Fire’s Highway
03: Evil’s Sway
04: For The Love Of Ivy (THE GUN CLUB-Cover)
05: Adrenaline Nightshift
06: Younger Us
07: The House That Heaven Built
08: Continuous Thunder