KVELERTAKS "Nattesferd" ist ja nun doch schon ein paar Tage draussen und leicht verspätet konnte auch ich mir nun ein Bild vom dritten Streich der wilden Norweger machen. Recht schnell bestätigt sich der durch die vorab veröffentlichten Tracks gewonnene Ersteindruck; während der Vorgänger "Meir" sich noch recht deutlich an der Erfolgsformel des Debüts orientierte, schlägt der Black 'N' Roll der Nordmänner auf "Nattesferd" eine etwas andere Richtung ein, aber dazu später mehr. Der Opener führt einen zunächst ein wenig an der Nase herum; mit flirrenden Tremolo-Gitarren, chaotischem Gerumpel und Erlend Hjelviks fiesem Gekreische ist "Dendrofil For Yggdrasil" KVELERTAKS wohl bisher schwarzmetallischste Nummer, erst ab dem Mittelteil wird es deutlich rockiger und die typischen Trademarks der Band treten zu Tage. Mit der bereits vorab veröffentlichten Single "1985" wagt die Band dann aber recht schnell den Sprung in andere Gefilde. Statt mit der üblichen Mixtur aus Black-Metal-Vocals und schweißtreibenden Punk 'N' Roll der Marke TURBONEGRO um sich zu schlagen, wurzelt der Song seinem Namen getreu irgendwo zwischen VAN HALEN und alten JUDAS PRIEST tief im bluesigen Hardrock der frühen 80er und gibt damit die grobe Marschrichtung der Platte vor. Einzig Erlend Hjelviks markantes Organ macht sofort unmissverständlich klar wer hier am Werk ist. Das gute Stück frisst sich nach kurzer Verwunderung recht schnell in die Gehörgänge, nur hätte man das recht simple Grundriff vielleicht nicht unbedingt über volle fünf Minuten ausdehnen müssen. Sei's drum, cool ist die Nummer allemal. Auch beim flott rockenden Titeltrack zelebrieren KVELERTAK hingebungsvoll das repetetive Riffing, was ihnen hier jedoch noch einen Tick besser und vor allem mitreißender als bei "1985" gelingt. Überhaupt lässt sich die Band auf "Nattesferd" viel Zeit, baut ihre Songs sehr detailverliebt auf und strotzt dabei nur so vor einer Spielfreude, die keinen Zweifel an der Leidenschaft der Protagonisten für ihr Schaffen offen lässt. KVELERTAK haben Bock auf diese Musik und das merkt man. So legt "Svartmesse" z.B. einen wahnsinnig lässigen Groove hin, der mich unkontrolliert mit dem Kopf wippen und dem Fuß aufstampfen lässt und mir dabei ein verschmitztes Grinsen ins Gesicht zaubert; ein wunderbarer Effekt, den das Album noch öfter auf mich haben wird. Das kurze und knackige "Bronsegud" dient als eine Art Verschnaufpause vom doch inzwischen sehr deutlich gewordenen Stilwandel der Norweger, die Nummer hätte so auch gut auf den ersten beiden Scheiben stehen können. "Ondskapens Galaske" entpuppt sich danach als astreiner AC/DC-Stampfer, der zwischenzeitlich mit einer verwegenen Westermelodie auftrumpft und wieder dieses unfreiwillige Grinsen hervorzaubert, "Berserkr" hingegen klingt wie IRON MAIDEN auf Speed und tritt ordentlich aufs Gas. Beim ausladenden Neunminüter "Heksebrann" darf sich besonders die Instrumentalfraktion nochmal so richtig austoben und in Ekstase spielen, bevor "Nekrodamus" das Album in bester BLACK-SABBATH-Manier unter dicken Nebelschwaden ausklingen lässt.
Aber wie ist dieses Album, das sich doch sehr deutlich von seinen Vorgängern unterscheidet, denn nun schlussendlich zu bewerten? Ist "Nattesferd" jetzt das bisher beste oder eher das schwächste KVELERTAK-Album? Schwierig zu sagen, denn es ist einfach anders. Auf "Nattesferd" huldigen KVELERTAK schamlos dem Classic Rock der späten 70er und frühen 80er, was sich neben der etwas gemächlicheren Herangehensweise an das Songmaterial auch in einer bewusst abgespeckten Produktion niederschlägt, die das neue Gesamtbild durchaus abrundet. All dies geht aber eben auch auf Kosten des schweißtreibenden Kicks der ersten beiden Platten.
KVELERTAK-Alben sind wie Partys; während das Debüt und "Meir" wilde Exzesse darstellen, bei denen literweise Bier und harte Spirituosen fließen und auch mal die ein oder andere Schlägerei ausbricht, ist "Nattesferd" eher ein gechilltes Happening, bei dem neben reichlich Alkohol auch mal der ein oder andere Joint in die Runde gereicht wird. Dabei gibt es sicherlich Überschneidungen bei den Partygästen, das Publikum ist aber nicht durchweg dasselbe. Die vereinenden Merkmale sind nach wie vor die sehr hohe Qualität des Songwritings, enormes musikalisches Talent, unbändige Spielfreude, Erlend Hjelviks charakteristische Stimme und nicht zuletzt eine der Band scheinbar angeborene Coolness. So wird vielleicht nicht zwingend jeder alte Fan mit "Nattesferd" warm werden, auszuschließen ist es aber nicht und sicherlich wird sich auch der ein oder andere neue Gast auf der Feier einfinden.