Was tut man hierzulande als erstes, wenn einer deutschen Hardcore-Band das Prädikat „hoffnungsvoll“ gegeben wird? Richtig. Man sucht akribisch nach dem Vorbild, von dem abgeguckt wurde. LASTING TRACES aus dem Schwarzwald sind ein Paradebeispiel für dieses Spielchen, das seit Jahren getrieben wird. Man kann wahrscheinlich gar nicht mehr mitzählen, wie oft der Vorwurf erhoben wurde, dass aus dem Bridge9- oder Deathwish-Lager kopiert werden würde, dass man sich an Bands wie Killing the Dream, The Carrier, Defeater und wie sie alle heißen, orientieren würde. Doch was passiert eigentlich, wenn alle angeblichen Vorbilder auf einmal wegbrechen? Es ist ein nicht zu leugnender Umstand, dass die „Modern Hardcore“-Welle, spätestens jedenfalls seit der Auflösung von More Than Life, wieder deutlich am abflachen ist. Klar, es gibt die so genannten „Wave“-Bands, doch die driften soundmässig mehr als nur ein bisschen auseinander. In das Raster des emotionalen, rauen, melodischen Hardcores passen da vielleicht noch Defeater und Pianos Become the Teeth. Defeater dürften ihren Zenit (den ich nach Erscheinung der „Lost Ground“-EP“ festlegen würde) überschritten haben, auch wenn der neue Song „Bastards“ durchaus wieder Interesse an der Band weckt. Doch welche „Modern Hardcore“-Band kann sonst noch Massen vor die Bühne locken, wie es More Than Life einst konnten? Verse vielleicht, aber dann warten die meisten doch auch nur auf die alten Songs. Moshbar muss Hardcore 2013 sein. Dogchains. Camo-Hosen. Nike Air-Max. Fitnessstudio. Bands wie Trapped Under Ice, Brutality Will Prevail haben den Hardcore in den letzten Jahren zunehmend kultiviert. Nicht, dass daran etwas Schlechtes wäre. Nur hat sich deutlich etwas geändert. Was also tun, wenn man eine Band in Zeiten gegründet hat, die deutlich andere waren und in denen deutlich anderes angesagt war? Sich anpassen und einen totalen Genrewechsel vollziehen? Damit macht man sich natürlich nur lächerlich und verliert seine ganze Glaubwürdigkeit. Nein, LASTING TRACES ist es auf ihrer neuen EP „Elements“ besser als je zuvor gelungen, einen eigenen Sound zu definieren. Ich habe nie viel von den Vorwürfen gegen diese Band gehalten, aber an der ein oder anderen detektierten Parallele war definitiv was dran. Bei den beiden neuen Songs kann man jedoch lange nach dem Original suchen. Oder man kann einfach mal zugeben, dass es auch Bands gibt, die selbst auf großartige Ideen kommen. Dazu gehört in diesem Falle auch eine ordentliche Portion Mut.
Was sich schon auf „Old Hearts Break in Isolation“ in manchen Songs („Resurrection“) abgezeichnet hatte, wird auf „Elements“ in beiden Stücken konsequent weitergeführt. Der Clean-Gesang wird ein ganz wesentliches Merkmal des neuen Sounds von LASTING TRACES. Und das versucht man auch überhaupt nicht, zu verstecken. Gleich in der achten Sekunde des ersten Songs „Grasp“ geht’s los. Das klingt wirklich sehr frisch und vor allem bleibt es auf Anhieb besser im Ohr, als alle anderen Songs, die diese Band je geschrieben hat. Im Hintergrund experimentiert man mit sehr hohen Backing Vocals. Auch an den rauen Shouts von Sänger Thomas wurden einige Schrauben gedreht, sie klingen nun klarer, verlieren dabei aber nicht an Härte und stehen im Wechselspiel zu den bereits erwähnten Clean-Gesängen. An manchen Stellen erinnern mich die Shouts gar an Jeremy Bolm von Touché Amoré, was durchaus als Kompliment aufgefasst werden kann. An Abwechslungsreichtum sind die sechseinhalb Minuten, die einem auf „Elements“ geboten werden, kaum zu überbieten, sodass man sich das Ganze gerne mehrere Male nacheinander zu Gemüte führt. Eher als das Gesungene oder zumindest in gleichem Ausmaß bleiben dabei die Gitarrenriffs im Gehörgang. Das große Ganze klingt dabei irgendwie harmonischer und wärmer als „Old Hearts Break in Isolation“ oder die „Portraits“-EP. Wem diese beiden Platten nicht (ganz) gefallen haben, der sollte der Band mit ihrer neuen Scheibe auf jeden Fall nochmal eine Chance geben. Wenn man es als deutsche Band in die FUZE schafft, muss es ja meistens auch einen guten Grund haben.
An ein Ende der harten Arbeit im Hause LASTING TRACES ist auch nach 6 Jahren Bandgeschichte noch lange nicht zu denken: Die Arbeiten an einem neuem Album sind momentan in vollem Gange. Man darf nicht nur aufgrund der Veränderungen, die sich mit der besprochenen 7 Inch zeigen, sondern auch wegen zweier Lineup-Wechsel (ein zusätzlicher Gitarrist und ein neuer Schlagzeuger sind seit Anfang dieses Jahres mit an Bord) gespannt sein, inwieweit die Schwarzwälder einen mit ihrem zweiten Longplayer erneut überraschen können. Ich werde mit Neugierde verfolgen, wie die mutige Entwicklung von in der Szene aufgenommen wird. Insbesondere live kann ich mir nach dem Anhören der Platte nicht sehr gut vorstellen, wie sich die neuen Stücke in die alten einreihen sollen, ohne dass die Unterschiede dabei augen- bzw. ohrenscheinlich werden. Im August sind die fünf Herren mit den Aschaffenburgern von Together im europäischen Umland auf Tour - die Creme de la Creme des deutschen Melodic Hardcore. Vielleicht ergibt sich in diesem Rahmen dann die Möglichkeit, das Ganze auch mal live zu bemustern.
Tracklist:
1. Grasp
2. Lest We Forget