Von all diesen verschiedenen Genres, Subgenres und Subsubgenres, die sich da in den Weiten der tonalen Landschaft über all die Jahre hinweg gebildet haben, tue ich mich mit einem nach wie vor ausgesprochen schwer: das der musikalisch stark zurückgenommenen Singer/Songwriter-Musik. Es hat wohl etwas mit meinen Vorlieben zu tun, dass mich der bloße Einsatz von Akustikgitarre, ab und an Klaviergeklimper und darüber zerbrechlicher Gesang allein noch nicht vom Hocker reißt. Von Intimität wird da gern gesprochen und von Reduktion auf das Wesentliche. Einzig: nur in den seltensten Fällen schafft es ein Album aus diesem Bereich, mich wirklich zu überzeugen. Zuletzt war dies bei FRANK TURNER der Fall.
Der jedoch ist ja mittlerweile auch dazu übergegangen, sich von einer Band aushelfen zu lassen. Er dürfte gute Gründe dafür gehabt haben. Diese sind jedoch an LAURA GIBSON offenkundig vorbei gegangen. Natürlich ist der Gedanke reizvoll, sich ganz allein und ohne jegliches störendes Beiwerk in musikalischer Form zu präsentieren. Dabei sind ja durchaus auch schon großartige Alben herausgekommen. „If You Come To Greet Me“ gehört leider nicht dazu. Dafür dümpelt Frau GIBSONs Musik einfach zu sehr vor sich hin, ohne dabei jemals wirklich aufhorchen zu lassen. Klar, eine solche Platte hört man eher nicht mit der Erwartung, spannend orchestrierte Songs zu hören. Etwas weniger Zurückhaltung auf musikalischer Seite hätte jedoch nicht geschadet. Auch gesanglich ist das hier einfach nicht meine Tasse Tee. Da bleibt nichts hängen, stimmlich suggerierte Zerbrechlichkeit hin oder her.
So ist „If You Come To Greet Me“ für mich ein weiterer Beweis dafür, dass diese Sparte der Musik wohl schlichtweg zum allergrößten Teil nicht meinen Nerv trifft. Während andere Vertreter dieses Sounds aber immerhin noch zuweilen aufhorchen lassen, wenn sie sich doch mal aus dem engen selbst geschnürten Korsett der musikalischen Reduktion heraustrauen, ist LAURA GIBSONs Musik leider letztlich schlichtweg langweilig ausgefallen. Und dieser Gesangsstil, bei dem man das Gefühl hat, dass vor lauter Schüchternheit jede einzelne Silbe nur mit Mühe und Not über die Lippen gebracht wird ist mittlerweile auch nur noch pratentiös zu nennen. Sorry, LAURA, aber ohne mich.
Manuel – 3/10
--------------------------------------------------
In erster Linie ist “If You Come To Greet Me” leise, still, zurückgezogen. Man hört eine fast ängstlich angezupfte Gitarre, dann mal ein zaghaft angetäuschtes Piano und diese Stimme, die irgendwo zwischen dominant im Vordergrund stehend und schüchtern im Background agierend auf den Hörer einwirkt. Zugegeben: Das ist schon irgendwie speziell, wenn man sich nicht ohnehin total für Folk und seine Abarten interessiert. Aber „If You Come To Greet Me“ transportiert da eine so wunderbare Stimmung, die zwischen ungeschminkt und langatmig taumelt, sodass man sich natürlich Zeit nehmen muss, um die wahre Schönheit zu erkennen.
Das beginnt mit dem Opener „This Is Not The End“. Es dauert wenige Sekunden bis die Gitarre angezupft wird. Und wenn das geschieht, dann geschieht trotzdem nicht viel mehr. Sie singt, die Gitarre wird gänzlich in Ruhe gelassen und das Piano sorgt für die nötige Dramaturgie. Aber da ist eben jene Atmosphäre. Es rauscht im Hintergrund irgendwie so, wie wenn man morgens zum Sonnenaufgang das Haus verlässt. Irgendwas liegt eben in der Luft, irgendwas tut sich gerade, irgendwas Tolles beginnt. Und wenn gen Ende des Songs die Streicher einsetzen, dann wurde man auch belohnt für das Zeit nehmen. „Hand In Pockets“ gibt sich dann belebter, folgt schon fast einem richtigen Beat und deutet diese spezielle Weirdness an, die viele Folk-Platten mit sich tragen. Aber stets gesittet, stets mit Haltung. LAURA GIBSON führt dann jenes Spielchen immer so weiter. Reduzierte Ideen („Nightwatch“ mit tollen Hintergrundeffekten) treffen auf abwechselnde, gebändigte Gelassenheit und die typische Folk-Verschlafenheit. Aber auch sonst hat man hier alles richtig gemacht: Die Produktion drängt sich zu keiner Zeit auf, bleibt glücklicherweise hinter der Musik und lässt jener vollends Entfaltung. Stimmig erscheint jeder Song, auch das Album in seiner Gesamtheit weiß zu bestechen. Vor allem dann, wenn man den entrüstenden, wunderschönen und rührenden Refrain von „Broken Bottle“ zu hören bekommt, der im Endeffekt dem ganzen Album einen noch grandioseren Anstrich verpasst, als es ohnehin mit seiner Stille schon attestiert bekommen sollte. Wunderschön.
Raphael 8/10
--------------------------------------------------
Tracklist:
1. „This Is Not The End“
2. „Hands In Pockets“
3. „Nightwatch“
4. „Broken Bottle“
5. „Wintering“
6. „Small Town Parade“
7. „Country, Country“
8. „Certainty“
9. „The Longest Day“