Nach eigenen Angaben wollten die LOS CAMPESINOS! ein Album aufnehmen, welches den Tod und Verfall des menschlichen Körpers, sowie dessen Geistes, verlorene Lieben und Fußball behandelt. Passt denn der Verfall der Menschheit überhaupt zu dem hyperaktiven Haufen aus Cardiff? Wer die Vorgänger kennt, der weiß wie ausgeflippt und wirr diese Band agieren kann. Und jetzt also Menschenzerfall?
„Romance Is Boring“ beginnt dabei schon verdächtig andächtig. „In Medias Res“, der perfekte Opener übrigens, ist ein liebevoller, kleiner Popsong, der die Schwermut und Trauer einer Generation andeutet. Dabei schweben Gitarren, Drums und der herrlich englische Akzent auf Geigerwolken, die sich mit Glockenspielchen abwechseln. Nach ca. 2 Minuten dann der Übergang, getunkt in elektronische Akzente und pompös aus der Depression geholt anhand von allerlei Wall of Sound. Wie geil. Und das nach nur einem Song. Innerhalb von 4.42 Minuten vereint diese Band eine orchestrale Gewalt mit den hymnischen Andeutungen einer Band wie, sagen wir mal, THE SMITHS. Sollte das den Rest des Albums so gehen wären die CAMPESINOS mutig. Zwischen Sonne und Regen zu pendeln, das gelingt nicht vielen. Aber wer jetzt aufschreckt: Die Energie und Hyperaktivität wurde nicht auf Seite gelegt. So überhaupt nicht. „There Are Listed Buildings“ ist der beflügelte Beweis für einen Indiehit 2010, die Single „Romance Is Boring“ erinnert ein wenig an den Punkertum von ART BRUT und verzaubert in seinem Refrain mit dem lauten, ausgeflippten Chor den man eben hören wollte. Der Spagat ist geglückt. Energiegeladen, hymnisch und schon nervöser als Paul Smith wird hier ein Kracher nach dem anderen serviert. Und dabei ist „Kracher“ nicht einfach eine Metapher für „Super Song“. Die Songs krachen eben. Die Produktion ist roh und doch geschliffen, die Gitarren laut und doch nie überufernd, der Gesang stets angepasst und trotzdem niemals zu arg im Vordergrund. „Romance Is Boring“ scheint als die perfekte Indieplatte. Aber halt. Hatte die Band uns da nicht was von depressiven Themen erzählt? Song 13, „The Sea Is A Good Place To Think Of The Future“ bringt angekündigte Themenriege. Im Refrain heißt es: And all you can hear is the sound of your own heart. And all you can feel is your lungs flood and the blood course. Dieser Satz, so kitschig er klingen mag, kommt so ungeschminkt und nüchtern um die Ecke, dass man schon fast vergisst von welch textlicher Intensität der Song durchsetzt ist. Der Wunsch nach dem Tod, vertont in eine wunderschöne Melodie und ein einschlagendes Klangsammelsurium gewickelt, das man so schnell nicht vergisst. Was danach kommt ist der Abschied von einer wunderbaren Platte, die hoffentlich die Aufmerksamkeit bekommt, die sie auch verdient. Im Endeffekt kann man den LOS CAMPESINOS! nämlich nur dankbar sein. Für dieses Album, für die ungeschminkten Wahrheiten, für die Hibbeligkeit, für Hits, Pomp und ein verdammt ehrliches Stück Musik, wie es gerade auf dem Indieschlachtfeld viel zu selten zu hören ist. Groß.
Tracklist:
In Medias Res
There Are Listed Buildings
Romance Is Boring
We've Got Your Back (Documented Minor Emotional Breakdown #2)
Plan A
200 - 102
Straight In At 101
Who Fell Asleep In
I Warned You: Do Not Make An Enemy Of Me
Heart Swells/100-1
I Just Sighed. I Just Sighed, Just So You Know
A Heat Rash In The Shape Of The Show Me State; or, Letters From Me To Charlotte
The Sea Is A Good Place To Think Of The Future
This Is A Flag. There Is No Wind
Coda: A Burn Scar In The Shape Of The Sooner State