Eine Herzensangelegenheit:
Ihr letztes Album “Gotteskrieger“ war eine Offenbarung im Bereich des deutschen Metals und die Erfurter MACBETH haben die letzten 3 Jahre genutzt, um weiter an ihrer Einzigartigkeit zu feilen. Wiederum hat Drummer Patrick W. Engel, der mittlerweile durch Simon Mengs ersetzt wurde, die Produktion übernommen und zimmerte einen Sound, der genau so klingt, wie Metal zu klingen hat: Dreckig, differenziert und auf die Fresse. Insgesamt sind MACBETH etwas thrashiger geworden, wer „Gotteskrieger“ liebt, wird sich aufgrund einer nahtlosen Anknüpfung an Songs wie „Hunde, wollt ihr ewig leben“ und „Maikäfer flieg“ einen feuchten Schlüpper hören. Aber auch die etwas zurück genommenen, tragenden Nummern (andere sprechen von doomig) sind ein fester Bestandteil im Repertoire. Auch ist diesmal ein Übersong vertreten, denn „Fritz H.“ ist kurz davor, „Das Boot“ in der Playlist abzulösen. Interessant ist auch die Stalingrad-Trilogie, vielleicht ist das Konzept, diesen durch die abscheulichen Kriegsvorkommnisse gebeutelten Ort zum Gegenstand von Songs zu machen, nicht neu oder Schwanger mit Ideen (ACCEPT betitelten schließlich ihr aktuelles Album gleichnamig), aber die Umsetzung unterteilt in drei Oden ist schlicht großartig geworden. Insbesondere der krönende Abschluss „Das Kreuz“ zeigt die unnachahmliche Klasse dieser Band. Aber wodurch genau drückt sich diese Unnachahmlichkeit eigentlich aus?
Hier könnte an erster Stelle der Name Oliver "Olli" Hippauf genannt werden. Der Metal-Barde ist der Deckel zum Topf und trägt mit seiner tiefen, rauen und sicherlich auch gewöhnungsbedürftigen Stimme (entweder zu Füßen liegen oder Ablehnung - Mitte? Nein danke) jeden Song in das gewisse Etwas. Gerade die vielen melancholischen und tief schwarzen Momente werden durch seine Intonierung zum Aderlass. Dann könnte angeführt werden, dass MACBETH zwar wie viele andere auch, Tod und Krieg zum Thema ihrer Texte werden ließen, aber dennoch klingt die von ihnen auf deutsch vorgetragene Abartigkeit der menschlichen Seele (“Die Spaßgesellschaft und die oberflächliche Scheiße, die jeden Tag über uns ausgekippt wird, ist aber auf Dauer nicht mehr zu ertragen. Da wollten wir wenigstens musikalisch einen Gegenpol bilden“) authentischer, bedrückender und zutiefst ehrlich. Ein Grund dafür könnte die bewegende Bandgeschichte im Allgemeinen und der Selbstmord zweier Bandmitglieder im Besonderen sein, denn schnell wird beim Zuhören und Einatmen klar, dass durch die Löcher vieler Texte auch eine Verarbeitung von Ursachen, Schmerz und der schlichten „Warum-Frage“ pfeift. Ein großes Lob muss auch an die Gitarristen ausgesprochen werden, denn Ralf "Zeidler" Klein (neben Bassist Hanjo Papst einzig verbleibendes Gründungsmitglied) und Alexander Kopp schütteln sich Tonfolgen aus ihren Ärmeln, die den Facettenreichtum des geliebten Metals zum Überkochen bringen. Da passt es ganz gut zusammen, dass Olli auf der seit kurzem erschienenen DVD „From Hell“ mit einem verschlissenen EXODUS-Shirt auftrat, denn die Riffs riechen nach Bay Area und „Bonded By Blood“ - zu weit hergeholt? Kann sein, aber dieses verspielt vs. knallhart lässt einen in Erinnerungen an die gute alte Zeit schwelgen - , schmecken aber immer nach MACBETH. Erwähnt werden müssen auch die Soli, die immer wieder den Spagat zwischen geil und technisch schaffen und z.B. bei „Kamikaze“ Pfeffer in der ohnehin schon köstlichen Suppe sind. Es könnte aber auch daran liegen, dass der „Wiedergänger“ einerseits knallhart und aggressiv ist, aber ähnlich wie der im Drachenblut badende Siegfried durch ein Lindenblatt an einigen Stellen verwundbar. Das macht vor allem den Reiz dieses Albums aus, neben dem Metalschweiß auch Intensität, Emotionalität und Melodieverliebtheit zu offenbaren, ohne sich zu verschleißen. Und letztlich könnte sich die Unnachahmlichkeit dadurch ausdrücken, dass eine Band auf deutsch singt und es weder peinlich noch stereotyp, sondern spannend und interessant klingt. Wer einmal den Fritz H. in Hannover, Rote Reihe, besuchte oder schon einmal lebendig begraben wurde, wer seine Nieren verkaufte oder in der Arena dem Russell den Kopf abriss, weiß, was gemeint ist.
Wer die kürzlich erschienene DVD „From Hell“ sein eigen nennen darf, die 2010 im gleichnamigen Erfurter Club zum 25-jährigen Bestehen der Band ein Konzert wiedergibt, der wird feststellen, dass MACBETH Bodenständigkeit (das Pendant im deutschsprachigen Bereich sind übrigens NACHTGESCHREI, wenn es um Folk- und mittelalterliche Musik mit Metaleinschlag geht) leben und lieben. Dieser Live-Mitschnitt zeigt eine durch und durch geerdete Band, die als Kinder des Untergrunds ihrer Leidenschaft freien Lauf lassen und damit dem Metal Kontur verleihen. Symptomatisch auch der Albumtitel, denn der „Wiedergänger“ behandelt im Kern die Vorstellung, dass Verstorbene, die in die Welt der Lebenden zurückkehren, den Lebenden meist böse gesinnt und unheimlich gegenübertreten. Das Quintett war bereits musikalisch tot und zeigt der musizierenden Welt seit 2006 mit bösen Texten und unheimlich guter Musik, dass Untote nicht zu fürchten, sondern zu feiern sind.
Kurz gesagt: Ich liebe diese Band!
Das Album wird auch als Digipak mit 4 zusätzlichen Songs erhältlich sein. Alle 4 Songs waren auf der ersten Demo, die 1985 veröffentlicht wurde. Für den “Wiedergänger” wurden alle 4 Songs neu eingespielt und zeigen, dass MACBETH bereits zu DDR-Zeiten anders und besser als andere waren.
Tracklist:
01. Kamikaze
02. Fritz H.
03. Begraben
04. Fleisch
05. Stück Für Stück
06. Gladiator
07. Wiedergänger
08. Stalingrad - Kanonenfutter
09. Stalingrad - Untergang
10. Stalingrad - Das Kreuz
Bosnustracks
11. Zeit Der Zeiten
12. Bomber
13. Höllenfeuer
14. Macbeth