Mit festem Blick, schwarze, mit allerlei Schnörkel versehene Anzüge tragend, das rote Tuch fein säuberlich drapiert und in den Kragen gesteckt, blinzeln uns fünf gestandene Männer aus Los Angeles vom Cover des aktuellen Kerrang! an. Sehen wir Ironie in ihren Augen? Ich denke nicht. THE BRONX sind jetzt vorübergehend ein Mariachi-Ensemble. Teilweise gelingt ihnen das waghalsige Spiel mit fremder Romantik sogar sehr gut.
Mit Verlaub: Einen nicht gerade kleinen Spleen hatten THE BRONX irgendwie immer schon. Man muss sich nur mal diverse Auftritte der Band um Bühnentier Matt Caughtran ins Gedächtnis rufen, dazu Promofotos mit feistesten Oberlippenbärten oder das im wahrsten Wortsinne infantile Video zu 'Historys Stranglers'. Das besondere an besagtem Spleen: Er wirkte stets hochauthentisch. Nun also die Transformation zu MARIACHI EL BRONX, das Album in bekannter Tradition schlichtweg "El Bronx" getauft. Die erste Frage: Dürfen die das? Einfach so? Kann eine gestandene (Punk-)Rock-Band mit Hardcore-Roots den erhabenen, festlichen Schwulst einer Mariachi-Formation in einen unpeinlichen, nicht aufgesetzt wirkenden Kontext überführen, ohne dabei eben schlichtweg THE BRONX in der Mariachi-Variante zu sein? Die Antwort: Sie kann. Partiell sogar echt gut.
Ausstaffiert mit Geigen, Trompeten, diversem anderen Mariachi-Brimborium, pulsierendem Bass und einem glänzend-melodiös aufgelegten Matt Caughtran, lässt das Album den deutschen Pseudo-Musikjournalismus-Bauern natürlich direkt an Desperado (immerhin: das Original hieß El Mariachi) denken. Gedanken an alkohol- und rauchgeschwängerte Luft, Schweißgeruch oder eben das Lied für die Angebetete zu später Stunde unterm Balkon werden evoziert. MARIACHI EL BRONX gelingt jedoch verblüffend oft das Kunststück eben nicht THE BRONX Liedgut in einen Mariachi-Kontext zu transferieren, sondern etwas genuin Neues zu erschaffen. Sicher: 'Slave Labor' ist ein Song (ein Hit!!!), der in seiner rockigen Stringenz (ohne Strom freilich) und Melodieführung auf der letzten THE BRONX-Platte (die mit den Flamingos) alles andere als negativ aufgefallen wäre. Flankiert wird selbiger jedoch durch Stücke wie dem wirklich wunderschönen 'Holy', welches sämtliche Register tiefgehender Mariachi-Romantik zieht. Böse Zungen könnten an dieser Stelle behaupten, das sei purer Kitsch. Oder auch der Opener: Saftige Trompetenfanfaren, dazu ein leidenschaftlich croonender Matt Caughtran. 'Clown Powder' wiederum dümpelt dröge vor sich hin, während das aufgekratzte 'My Brother The Gun' zum Ende hin noch mal eindrucksvoll demonstriert, worauf es in diesem Genre eigentlich ankommt: Da ist Leben drin. Und fleißige Betriebsamkeit. So weit weg von ihrem ursprünglichen Sound sind THE BRONX pardon - MARIACHI EL BRONX rein von der Motivation her also doch nicht
Tracklist:
01: Cell Mates
02: Litigation
03: Despretador
04: Quinceniera
05: Sleepwalking
06: Silver Or Lead
07: Slave Labor
08: Clown Powder
09: Holy
10: My Brother The Gun
11: My Love