Plattenkritik

MEMORIAM - Requiem For Mankind

Redaktions-Rating

Info

Release Date: 21.06.2019
Datum Review: 18.06.2019
Format: CD Digital

Tracklist

 

1. Shell Shock
2. Undefeated
3. Never The Victim
4. Austerity Kills
5. In The Midst Of Desolation
6. Refuse To Be Led
7. The Veteran
8. Requiem For Mankind
9. Fixed Bayonets
10. Interment

Band Mitglieder

 

Karl Willetts - vocals
Frank Healy - bass
Andy Whale - drums
Scott Fairfax - guitars

MEMORIAM - Requiem For Mankind

 

 

Kawumm! MEMORIAM sind mit ihrem dritten Album in nur drei Jahren zurück und treffen den Hörer damit wie der sprichwörtliche Donnerschlag. Das rasante Tempo, mit dem die Death-Metal-Urgesteine Karl Willetts (Ex-BOLT THROWER), Frank Healy (SACRILEGE, Ex-BENEDICTION), Scott Fairfax (Live-Gitarrist BENEDICTION) und Andy Whale (Ex-BOLT-THROWER) ihre Geschosse abfeuern, ist besonders in Hinblick auf den mitunter doch sehr unregelmäßigen Veröffentlichungsrhythmus ihrer alten Bands bemerkenswert.

 

Dabei entpuppt sich "Requiem For Mankind" keineswegs als Schnellschuss, sondern bündelt vielmehr die Stärken der beiden Vorgänger und stellt in einigen Bereichen außerdem eine klare Steigerung dar. Sowohl die erdrückende, unheilschwangere Heavyness des Debüts als auch räudige Bissigkeit von "The Silent Vigil" kommen auf "Requiem For Mankind" zum Einsatz und natürlich hinterlässt auch das mächtige BOLT-THROWER-Erbe weiterhin seine Kettenspuren im Dreck des Schlachtfeldes, diesmal vielleicht sogar etwas deutlicher als zuvor.

 

Gleich zu Beginn wird man vom gewaltig drückenden "Shell Shock" regelrecht überrollt und zweierlei wird dabei sehr schnell klar: betreffs der Produktion haben sich MEMORIAM diesmal nicht lumpen lassen und mit Russ Russell genau den richtigen Mann für den Job gefunden. Nach dem etwas dünnen Sound des Vorgängers hat Russell den Briten genau den druckvollen, transparenten und doch ausreichend rauen Klang auf den Leib geschneidert, den der groovende Death Metal des Quartetts verdient. Ebenfalls positiv: auch Karl Willetts "Gesang" kommt ein ordentliches Stück kräftiger und gewaltiger daher als noch zuvor. Auf "For The Fallen" und "The Silent Vigil" war das heisere Gebell des legendären Fronters trotz seines rohen, leicht punkigen Charmes besonders für viele Alt-Fans ein klarer Kritikpunkt. Laut eigener Aussage hat Willetts zwar diesmal nichts anders gemacht als vorher und schiebt diesen Eindruck vornehmlich auf den tollen Produzentenjob, gefühlt hat der gute Mann aber wieder deutlich mehr klassisches Death-Metal-Blut in der Gurgel.

 

 

Nach diesem kleinen Exkurs zurück zum Songmaterial. Das kämpferische "Undefeated" zeigt wieder deutlich die Punk- und Hardcore-Wurzeln der Musiker auf und vermischt flotten Death-Metal-Groove mit räudigen DISCHARGE-Einflüssen. Spätestens bei "Never The Victim" dürfte sich dann auch der letzte BOLT-THROWER-Fan vor Freude ein Tröpfchen in die Camo-Hose machen. Das mit bedrohlichen Leads versehene Ungetüm walzt alles nieder und weckt wohlige Erinnerungen an Klassiker wie "The IVth Crusade" und "...For Victory", ohne dabei jedoch einen eigenen MEMORIAM-Charakter vermissen zu lassen. Auch "In The Midst Of Desolation", "Refuse To Be Led" und der epische, aus allen Rohren feuernde Titeltrack reihen sich nahtlos in diese Riege ein. Grade die über den Groove-Teppich gespannten Gitarrenmelodien treten auf "Requiem For Mankind" stärker in den Vordergrund und stellen eine weitere klare Steigerung zum teils recht simpel gehaltenen Material der Vorgänger dar. Offenkundig hat sich Gitarrist Scott Fairfax diesmal etwas ausgetobt, wobei man hier aber natürlich trotzdem Welten von frickeligem Tech-Death entfernt ist. Zwischen all dem tonnenschweren Panzerstahl sorgen das unbarmherzig nach vorne preschende "Fixed Bayonets" und das wieder etwas Hardcore-lastige "Austerity Kills" für Auflockerung.

 

Lyrisch behandelt Karl Willetts natürlich wieder ausgiebig sein Stammthema: Krieg und seine Konsequenzen. Ein besonderes Augenmerk legt er dabei auf den ersten Weltkrieg und setzt sich u. a. mit den psychischen Traumata der Soldaten ("Shell Shock"), dem Horror des Grabenkrieges ("Fixed Bayonets"), aber auch mit Durchhaltevermögen und Kampfgeist im Angesicht unvorstellbaren Grauens ("Undefeated") auseinander. Dabei ist Willetts wie immer hoch anzurechnen, dass er sich der Thematik stets mit dem gebotenen Respekt widmet und seine Darstellungen niemals plump, unreflektiert oder gar glorifizierend wirken, sondern immer als klare Mahnung zu verstehen sind. Manch eine Band, im extremen wie auch im eher massentauglichen Metal-Sektor, darf sich von diesem Umgang mit der Thematik gerne eine Scheibe abschneiden.

 

 

Da MEMORIAM sich aber auch ganz klar als politische und sozialbewusste Band verstehen, bezieht Karl Willetts auch hier ganz klar Stellung. So beschäftigt sich "Austerity Kills" etwa mit der in England seit Jahrzehnten um sich greifenden Sparpolitik und deren drastischen Folgen u. a. für das Bildungssystem und die ärmeren Gesellschaftsschichten, während "The Veteran" die Vernachlässigung von Kriegsveteranen durch Politik und Gesellschaft anprangert. Und auch das bereits erwähnte "Undefeated" zeigt durch die Verwendung des Ausrufs "No pasarán!", der seinen Ursprung in den Gräben des ersten Weltkrieges hat und sich nach dem spanischen Bürgerkrieg zum Kampfschrei antifaschistischer Bewegungen entwickelte, klare politische Kante.

 

Nachdem sich der Staub der Schlacht gelegt hat bleibt festzuhalten: ganz werden MEMORIAM das übermächtige BOLT-THROWER-Erbe vermutlich nie loswerden. Aber wozu auch, ist es doch quasi Teil der DNA der beteiligten Musiker. Dennoch besitzen MEMORIAM zweifellos eine eigene Identität, die sich u. a. durch die eindeutige politische Positionierung und die insgesamt sehr direkte Art von Texten und Musik manifestiert. Nach drei starken Alben in kürzester Zeit stellt "Requiem For Mankind" ganz klar den Höhepunkt des gemeinsamen Schaffens dar und statt große Experimente zu wagen, die hier zugegeben aber auch niemand ernsthaft erwartet hat, optimieren MEMORIAM an den richtigen Stellen und sind von Album zu Album weiter zu einer Einheit zusammengewachsen. MEMORIAM-Fans, alte BOLT-THROWER-Fans oder auch einfach nur Liebhaber gut gespielten Old School Death Metals werden mit "Requiem For Mankind" jedenfalls ihre helle Freude haben.

 

Autor

Bild Autor

Hans

Autoren Bio

Meine großen Leidenschaften: Literatur und laute Musik. Plattenkritiken liegen nahe.