Schon früher erlebte Chris Cerulli diese Momente der Entscheidungsenge: Mit der Handvoll Dollars von Mutti vorm Süßwarenregal, war der Junge stets überfordert – wollte er doch am liebsten alles probieren, was lecker aussah. Also gründete er eine Band und tourte um die Welt. Somit konnte er endlich alles (aus)probieren – und bekam dafür sogar noch eine Handvoll Dollars. Eine faire Welt, in der sich die finsteren „Creatures“ am Ende als nette Nachbarsbuben herauskristallisieren.
Zeit für ein Re-Release des Debütalbums von MOTIONLESS IN WHITE also (nach gerade mal eineinhalb Jahren...), auf dem sich Cerulli nun „Chris Motionless“ nennt und mit vier Kumpels nicht nur Frisuren und Make-Up mit voller Hingabe bedient. Die Band aus Pennsylvania mixt sich galant durch Metal, Düster-Rock und dunkle Melodien – präsente Horrorfilm-Keyboards stets inklusive.
Im Titeltrack steht dabei der Death Metal-Familienausflug ebenso auf dem Programm wie die – vorsichtig ausgedrückt – am Genre klebende Glasfaser-Melodie im Chorus zu „We Only Come Out At Night“. Nach zwei EP´s zum Warmwerden bauen sich MOTIONLESS IN WHITE voller Elan und mit hohem „Warped Tour-Faktor“ zusammen was funzt: „London In Terror“ läd zum melodischen Verweilen ein, auch wenn Tastenmann Josh Balz gerne in manchen Momenten auch bloß mit dem Handtuch hätte wedeln dürfen.
Bereits „Immaculate Misconception“ stellt klar, dass die Fronten auf „Creatures“ nicht allzu engstirnig abgesteckt sind: Knappe vier Minuten knüppeln, grunzen und brettern - aber ebenso heulen, schweben und keifen sich Cerulli, Drummer Angelo Parente, Balz und die Saitenfraktion um Ryan Sitkowski und Ricky Horror über eine Teststrecke voller Stöcke und Steine, die allesamt zermalmt oder zumindest verjagt werden sollen. Dabei machen MOTIONLESS IN WHITE nicht immer die schlechteste Figur, was Fingerfertigkeit und Detailarbeit fett unterstreichen.
„City Lights“ dreht die Seiten des Albums genauso wie das stampfende Rob Zombie Cover „Dragula“ (welches zusammen mit zwei Remixes als quasi Bonuspart des Rereleases herhält), das mit AFI-Chören voranmarschierende „Count Choculitis“ ist ein weiterer sympathischer Doublebass-Magnet. „Creatures“ gesteht offen seine Liebe zur Moderne - schließt jedoch sowohl MARILYN MANSON- als auch BLEEDING THROUGH- oder ATREYU-Einflüsse ehrlich und offensichtlich mit ein. Wenn sich jeder unerfahrene Junge am Kiosk soviel Zeit beim Bau der bunten Tüte ließe, käme sicher öfter ein Produkt heraus, was für längere Zeit erfreute Gesichter, wenn auch keine andauernde Offenbarung hervorrufen würde.
Trackliste:
01. Immaculate Misconception
02. We Only Come Out At Night
03. London In Terror
04. Abigail
05. Creatures
06, Cobwebs
07. .Com Pt. II
08. Count Choculitis
09. City Lights
10. Puppets (The First Snow)
11. Undead Ahead
12. Scissorhands (The Last Snow)
13. Dragula
14. Creatures (Remix)
15. Mallevs Maleficarvm (Remix)