Da sind sie wieder, die Japaner, die meinen, uns Menschen aus der westlichen Welt mit weit entfernten Nu-Jazz-Klängen verzaubern zu müssen. Aus dem Duo ist mittlerweile ein Quartett geworden und im Gegensatz zur letzten EP „Sezession“ hat sich auch im Klangspektrum der Band einiges getan. Immer noch regiert zu weiten Teilen die hohe Geschwindigkeit, welche sich insbesondere in den wohl akzentuierten und sich immer wieder überschlagenden Drums widerspiegelt. Mittlerweile spielen aber gleich mehrere Pianos die Hauptrolle, eine Tatsache, die noch mehr Möglichkeiten bietet, den Hörer zu verwirren oder direkt ins Off zu schießen. Nicht nur bei der Instrumentierung wurde aufgestockt, auch die Zahl der Songs auf dem Silberling oder der Schallplatte (je nach Geschmack) hat sich um ein vielfaches erhöht. Durfte man während „Sezession“ nur vier Songs lauschen, haben MOUSE ON THE KEYS hier nun ganze neun Stücke zustande gebracht und vorab sei gesagt, dass sich die Japaner ein Herz gefasst haben und die Möglichkeiten zur Verbesserung hin zum Erträglichen gänzlich genutzt haben.
„An Anxious Object“ bewegt sich mit einer spielerischen Leichtigkeit durch den Player, die sich gewaschen hat. Das Kopfkino ist beim Hören der Tracks einmal mehr vorprogrammiert und die Überlegungen darüber, was man sich bei bestimmten Songs gedacht hat, lassen sich ebenfalls nicht ausblenden. Während „Spectres De Mouse“ noch ganz im Stile von „Sezession“ agiert und einem mit seinem bewussten Gespür für anstrengende Rhythmen den Kopf weg pustet, werden bei „Seiren“ ganz andere Saiten aufgezogen. Erstmalig herrscht so etwas wie innerer Einklang und beim Rhythmus und der Dynamik dieses Songs kann man sich schon einmal sehr schnell auf einer alten Holzbrücke, mit einem ganz bestimmten Menschen im Regen tanzend, wiederfinden. Das hat was von Großstadtromantik ohne zu industriell zu sein und genau so führt sich das Album fort. Immer wieder kommen die fordernden Momente ans Tageslicht, die einen an die Boxen oder die Kopfhörer bannen und einfach mal die Augen schließen lassen. Mal findet man sich in einer verrauchten Whiskey-Kneipe wieder, dann ist wieder alles in schwarze und weiße Farbe getaucht, ganz im Stil des Film Noir, immer ist es mehr als unterhaltsam. MOUSE ON THE KEYS wissen mit ihren Hörern zu spielen und entführen sie in ihre ganz eigene Welt mit ihrer ganz eigenen Interpretation des Jazz. Dabei kommen die abgefahrensten Melodien und die verkopftesten Aneinanderreihungen von Arrangements zustande, die man sich vorstellen mag. Das neben all der Verbarrikadierung aber auch die Schönheit regieren kann, zeigt „Soil“, das mit Sicherheit eindrucksvollste Stück der Platte. Der Einsatz des Saxophons wirkt in sich so stimmig und beruhigend, gleichzeitig sehr selbstmitleidig und dennoch hat man das Gefühl, während des Hörens Berge versetzen zu können. Ein Fest also für jene, die Musik auch visuell verarbeiten möchten.
Im Klartext wird hier eine ganz spezielle Atmosphäre aufgebaut, die man auf „Sezession“ eventuell noch vermisste. Das Quartett schafft den Spagat zwischen ruhigen und schnellen, aber niemals zu lauten Stücken und lässt zu keiner Zeit Zweifel daran aufkommen, dass hier grandiose Musiker unterwegs sind. „An Anxious Object“ unterhält von der ersten Sekunde bis zu dem Zeitpunkt, zu dem man mit dem sehr ruhigen und hypnotisierenden „Ouroboros“ wieder entlassen wird, auf höchstem Niveau. Die Platte kann leise im Hintergrund laufen, ohne zu penetrant zu wirken oder aber auch auf voller Lautstärke genossen werden. Beide Varianten sind Erlebnisse, die man definitiv einmal ausprobieren sollte und man kann nur froh sein, dass es immer noch Menschen gibt, die einen mit solch hübsch und größtenteils sehr unaufdringlich gespielter Musik zu verzaubern wissen. Vielen Dank!
Tracklist:
01. Completed Nihilism
02. Spectres De Mouse
03. Seiren
04. Dirty Realism
05. Forgotten Children
06. Unflexible Grinds
07. Double Bind
08. Soil
09. Ouroboros