MUSE sind einen langen Weg gegangen seit „Showbiz“, ihrem ersten Album. Mit der neuen Platte „Drones“ legen sie nun ein Konzeptalbum vor, welches wieder mehr nach ihren Anfängen klingen soll. Rockiger und weniger experimentelle, elektronische Sounds. Kann man auch zu einem gewissen Grade unterschreiben. Die elektronischen Klänge auf „Drones“ sind wieder mehr unterstützender Natur, denn prominenter. Auch der generelle Aufbau ist, zu meiner Freude, wieder komplexer.
Beim Auftakt „Dead Inside“ hatte ich zunächst Angst. Es schlägt dem Höhrer, beinahe unerträglich schmalziger, 80er Pop entgegen. Hat man sich bis etwa 2:35m durchgekämpft, kann man allerdings wieder aus den Leggings schlüpfen und bekommt die ersten Töne zu spüren, die Muse eigentlich auszeichnen. Eine leicht melancholisch, poppige Progression mit Matt Bellamys expressionistischer Gesangsleistung.
Nach dem Zwischenspiel „[Drill Seargent]“ geht es mit „Psycho“ weiter. Es wird rockig. Gewohnte Qualität mit den üblichen Modulationen. Interessanterweise klingt die Gesangslinie teilweise wie eine Leihgabe aus einem Marilyn Manson Album. Passt aber in das Gesamtbild des Songs und ist darum kein schlimmer Ausreißer. Hier wird auch die Ernsthaftigkeit des Albumkonzeptes das erste Mal deutlich.
In „Mercy“ wird sofort deutlich, dass Bassist Christopher Wolstenholme endlich auftaut und anfängt die Songs abwechslungsreicher zu untermalen. Für sich genommen ist das Lied auch gut zu hören, aber immer noch klebt der große Pop an den musikalischen Sohlen.
Na endlich! Ein Song von MUSE. Das bachsche Tappingintro von „Reapers“ leitet in einen Vers ein, der wirklich an alte Zeiten erinnert und trotzdem frischen Wind einbringt. Also kein schnöder Aufguss mit repetitivem Charakter um ältere Fans zu bauchpinseln.
Genauso gut geht es auch mit „The Handler“ weiter. Jedes Bandmitglied hat etwas zu tun. Man hat den vollen Tonumfang von Bellamy und so viel Abwechslung, dass der Repeat-Button zum Einsatz kommt. Dieser Song passt wie gegossen auf den Text. Man spürt förmlich, wie sich der Protagonist dazu entschließt, nicht mehr länger als unterdrückte und gelenkte Nummer leben zu wollen, und endlich aufsteht.
Bei „Defector“ schlägt einem die Akkordfolge entgegen. Wieder eine etwas schräge Einlage, die liebenswert macht und unterstreicht. Die Choreinlagen schreien so laut nach den großen „Queen“, dass man einfach nicht um ein Schmunzeln herum kommen kann. Und obwohl der Streichersatz hier vollkommen überflüssig ist, fügt er sich wundervoll ein.
Tja… nun zu „Revolt“. Ich kann absolut nachvollziehen, dass eine Revolte eine grundlegend befreiender Akt ist. Man fühlt sich großartig, wenn man sich seine individuelle Freiheit erkämpft hat. Aber wieso klingt der Song wie ein Rockcover eines Werbesongs? Vielleicht habe ich ganz persönlich eine andere Beziehung zum Erkämpfen der Freiheit und zur Überzeugung, wirklich etwas bewegen zu können. Mir strahlt bei dem ekelhaften Kleine-Mädchen-Refrain jedenfalls das Frühstück aus dem Gesicht.
Das Ende der ersten Story nennt sich bezeichnend „Aftermath“. Hier sieht das geistige Auge an jeder Stelle ein kleines „Pink Floyd Was Here!“-Schildchen kleben. Und das macht Spaß zu hören. Ein wenig wie das Ende von Popcornkino, in dem der Held in den Sonnenuntergang reitet. Trotzdem klanglich und kompositorisch noch vollkommen MUSE. Das können die Jungs wirklich gut.
Das monströse „The Globalist“ läutet mit 10 Minuten Spielzeit die nächste Story ein, in der es um den Diktator der ersten Geschichte geht. Seinen Aufstieg, Fall und seine Beziehung zum Helden. Durchweg eher als Soundtrack anzusehen und einmal mehr durch das Pianospiel von Matt Bellamy aufgewertet, geht es dem Ende zu.
Jetzt kommt das großartige Finale! Nicht. Fast drei Minuten sakrales Gelalle, dessen Finale ein halbherziges „Amen“ ist. Vielleicht ist „Drones“ ein total toller Song und ich nur zu dumm, um ihn zu erfassen. Unter dem Strich geht es einfach nur darum, dass Diktator und Held herumstehen und merken, dass sie blöderweise alles in die Luft gejagt haben, was ging und sie nun ziemlich alleine stehen.
Man könnte jetzt hier die alte Diskussion starten, welche Auswirkungen steigende Popularität auf den Bandsound hat und das Songwriting sich im generellen Sinne verändert. Leider, oder zum Glück, ist mir das vollkommen egal. Wenn Musik Müll ist, darf man das sagen. Und auf „Drones“ haben MUSE ein paar richtig vollgestopfte Müllsacke hinterlassen. Diese kann man auch als Hilfe ansehen, die guten Songs besser zu machen. Hier ist definitiv Musik, welche sich teilweise lange in meinen Playlisten halten wird. Und auch Musik, bei der ich die werten Herren am liebsten durch meine Schuhsohle atmen lassen würde. Zwiegespalten, handwerklich ausgereift, etwas schräg und vor allem Disskussionen fördernd. Typisch MUSE also.