Was die Musik erst zu etwas interessantem macht, das ist im Grunde ja der Moment, in dem wir sie wahrnehmen. Wenn wir eine Punkplatte in nächtlichen, einsamen Minuten hören, entfaltet sie nicht die Kraft und Energie, wie sie es tun würde, wenn wir sie um 17Uhr im Feierabendverkehr der Stadt hören würden. Und so sehr sich jeder in seinem Hörverhalten unterscheidet, so klar wurde mir die Schönheit von „Hold This Ghost“ in den vergangenen Stunden.
Und das lag sicherlich an dem Album, zum anderen aber der Situation, in der ich es hörte. Es ist Winter, das Dörfchen in welchem ich gerade bin ist komplett eingeschneit und der Gau, der bei den Massen an Schnee kommen muss, tritt plötzlich ein. Einer oder mehrere Bäume stürzen um und reißen eine entscheidende Stromleitung mit sich. Ein komplettes Dörfchen steht nun da, abgeschnitten von der Außenwelt. Was tun, so ohne Strom? Erst dann merkt man, wie hilflos man als Mensch doch ist, wenn man seine funktionierende Technik nicht um sich hat. Glücklicherweise hat man den Laptop, der ein wenig vom kostbaren Storm durch seine Venen fließen lässt. Als ich beschließe „Hold This Ghost“ zum wiederholten Male zu hören, wo es mir doch neulich so gut gefiel, geschieht es.
MUSÈE MÈCANIQAUE, dahinter verstecken sich nicht nur zwei Freunde, die ein unheimliches Talent aufweisen, dahinter steckt auch ein Museum im Norden San Francisco’s, welches hauptsächlich mechanisch betriebene Musikinstrumente und Glücksspielgeräte beherbergt. Von der Idee, mit einem ungewöhnlichen Instrument, oder gar einer Maschine, etwas wunderschönes zu schaffen sind Sean Ogilvie und Micah Rabwin, die Köpfe hinter diesem Projekt, so angetan, dass sie ihre Band gründen.
Was dabei herauskommt, das ist ein wunderschönes Album, welches sich am ehesten mit wunderbarem Indiefolk beschreiben lässt. Weder besitzt „Hold This Ghost“ die Leichtigkeit des Indie, noch den Schwermut und die Trägheit des Folk. Vielmehr treffen sich die Stärken beider Terrains in einer komplexen Mitte, die dank der wundervoll ausgefallenen Instrumentierung für die spannenden Momente und dafür sorgt, dass die Schönheit dieser Platte sich nach und nach entfaltet. Da hört man im Hintergrund mal eine Säge, dann wiederum klassische Elemente a la Schlagzeug und Akustikgitarre bis man sich schnell ergibt und sich zehn kurzweiligen Songs hingibt. Das einzige Manko, welches „Hold This Ghost“ hat, ist vielleicht die Tatsache, dass man diese besondere Situation benötigt, um das Album in seiner Schönheit komplett genießen zu können.
Tracklist:
1. Like Home
2. Two Friends Like Us
3. The Propellors
4. The Things That I Know
5. Fits And Starts
6. Somehow Bound
7. Under Glass
8. Sleeping In Our Clothes
9. Nothing Glorious
10. Our Changing Skins