Plattenkritik

Mutilation Rites - Empyrean

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Release Date: 01.06.2012
Datum Review: 22.05.2012

Mutilation Rites - Empyrean

 

 

Lange nicht mehr hat man es erlebt, dass sich ein komplettes Musikgenre dermaßen in der öffentlichen Wahrnehmung um einen ganzen Kontinent verschoben hat, wie es seit einigen Jahren im Black Metal der Fall ist. Die Zeit, sie war freilich längst schon reif dafür. Die Verlagerung von den Wäldern und Dörfern Skandinaviens (ja, mir ist bewusst, dass es nicht nur dort Black Metal-Bands gab und gibt) in die urbanen Zentren angelsächsischer Großstädte (das radikale Gegenbeispiel WOLVES IN THE THRONE ROOM mal ausgenommen) brachte nämlich nicht nur reichlich frischen Wind, sondern gleichzeitig auch noch endlich ein Abklingen der elendigen NSBM-Debatte mit sich. Black Metal ist plötzlich nicht mehr oder zumindest auf gänzlich andere Weise elitär als zuvor und von Herrenrassen und Genoziden will man erst recht in einem solch hippen Schmelztiegel der Kulturen wie Brooklyn nichts wissen, selbst wenn die vollständige Distanzierung zu mehr als fragwürdigen Bands dann doch schwer zu fallen scheint. DEAFHEAVEN beispielsweise haben da so einiges zu erzählen. Ob man ihnen zuhören sollte steht auf einem anderen Blatt. Öffentlich wahrgenommener Black Metal anno 2012 jedoch ist betont offen und vielfältig.

MUTILATION RITES, ebenfalls aus Brooklyn stammend, wollen mit „Empyrean“ zunächst einmal gar nicht so recht ins Bild passen. Weder findet man bei ihnen den fast schon romantischen Naturgestus von WOLVES IN THE THRONE ROOM, noch avantgardistische Ambitionen wie bei den Freigeistern von LITURGY und auch akut fingerverknotende Griffbrettwichserei Marke KRALLICE geht ihnen völlig ab. Auch auf die hypnotische Kraft des konstanten Blastbeats muss man auf dem Debütalbum des Vierers verzichten. Stattdessen ballern sich MUTILATION RITES zwar in zumeist hoher Geschwindigkeit durch 35 Minuten und wechseln auch gerne mal in Richtung Crust, jedoch fällt es ihnen trotz ihres dezidiert rotzigen Sounds schwer, den Zuhörer über die volle Distanz bei der Stange zu halten.

Es ist das Dilemma dieses Albums, dass es zwar einerseits nahezu konstant auf seinen Hörer einprügelt und keinerlei Rücksicht auf zart besaitete Hipster-Ohren nimmt, andererseits aber auch genau aus diesem Grund kaum Substanz bietet. Ausreichend bösen Willen vorausgesetzt könnte man dem mit ehemaligen TOMBS- und TODAY IS THE DAY-Musikern hochkarätig besetzten Quartett gar eine gewisse Beliebigkeit vorwerfen, was die Struktur ihrer Songs angeht. Dabei ist doch alles sauber eingespielt und mal wieder so fett, aber dennoch natürlich produziert, dass der eine oder andere norwegische Waldschrat hintenüber vom Baumstamm fallen dürfte. US-Kollege XASTHUR aus Solidarität gleich hinterher. Was MUTILATION RITES einfach viel zu selten gelingt, das sind zwingende Songs. Einzelne Riffs haben durchaus eine gewaltige Durchschlagskraft, in Kombination mit dem puristischen Geschrote auf einem Großteil des Materials jedoch verpufft ihre Wirkung zu häufig. Die Songstrukturen auf „Empyrean“ wirken nicht verzahnt, sondern nachlässig mit Sekundenkleber aneinander befestigt.

Das alles bedeutet nicht, dass dieses Album ein völliger Reinfall wäre. Genre-Liebhaber, die bei ungeschminkten Musikergesichtern nicht zu hyperventilieren beginnen, dürfen gerne mal reinhören. Wer jedoch im Bereich des rasend wilden Black Metals amerikanischer Prägung nach Atmosphäre und Wiedererkennungswert sucht, sollte sich doch lieber den famosen ASH BORER zuwenden.

Tracklist:

1. „A Season Of Grey Rain“
2. „Reals Of Dementia“
3. „Ancient Bloodoath“
4. „Fogwarning“
5. „Dead Years“
6. „Broken Axis“

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Manuel F.

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Eher so der Kumpeltyp.