Bereits seit dem 10. Juli geht das neue Album des niedersächsischen Singer-Songwriter Urgesteins NORTH ALONE über die Ladentische und trägt den nachdenklich stimmenden Titel „Cure & Disease“. Jeder der selber gerne zur Laute greift und ein Leben irgendwo zwischen Hobo und Kita fristet, kann sich mit diesem Titel durchaus identifizieren.
Und die Musik? Ein Plagiat der Galionsfiguren Ragan und Turner? Mitnichten. Manuel North hat eine unverkennbare Stimme. Eindringlich, irgendwie stets nach Lebenserfahrung und zu viel Kneipe klingend. Klar, das Reibeisen kann dem amerikanischen Kult-Barden zugeordnet werden, das müsste dann aber auch für Westernhagen und Co. gelten. Is klar, worauf ich hinaus will oder?
Irische Skalen in der Geige treffen auf Americana Gitarren und diese auf den klassischen Charme moderner Country-Musik sowie treibende Cajun-Folk-Beats. Eine Ohrwurmmelodie und schon schallen kleine, klangliche Perlen wie 'The Last Inch' oder 'Some Other Day' durch meine Räumlichkeiten. Stark affizierend auch das balladeske 'Black Water', sodass ich bereits nach der Hälfte der Platte sagen kann, dass sie nicht viele Wünsche unerfüllt lässt und überraschend amerikanisch klingt. Wie auch, wenn man zwei hochkarätige Features vorlegt: Scatter My Ashes Into The Sea - feat. Ian Cook of Larry And His Flask und das schlichtweg geniale Old Dog Barking - feat. John E. Carey Jr. of Old Man Markley und dann noch Songs wie 'Missing Heart Shadow', dass auch im Repertoire von Fallon und Kollegen stehen vorhanden sein könnte. 'The Road Most Traveled' heißt auch eine von CR veröffentlichte Ansammlung an biographischen Essays unterschiedlicher ProtagonistInnen über das Leben auf Tour. Passt wunderbar als Abschluss zu diesem Album, welches quasi die ganze Zeit nach einem wehmütig angehauchten Schunkler im 6/8 geschrien hat.
Lyrisch kann ich mich in einigen Songs wiederfinden, was die Annäherung an die Musik NORTH ALONEs stark vereinfacht. Kritik üben könnte ich an dem roten Faden, der Homogenität (NICHT verwechseln mit Eintönigkeit) der Musik. Ganz klar solides Handwerk, sowie eine indiskutable Genre-Zugehörigkeit, doch fehlt mir ein bisschen der Kniff, das gewisse Etwas. Aus meiner Sicht hätte diesem starken Album etwas mehr Facettenreichtum gut zu Gesicht gestanden oder ganz platt ausgedrückt, das musikalische Überraschungsmoment. Denn das NORTH ALONE auf „Cure & Disease“ auf hohem Niveau eigenständige Songs darbietet, die den Vergleich mit den Werken kommerziell erfolgreicherer und populärerer Künstler nicht scheuen müssen, kann und will ich nicht bestreiten. Ich würde mir dieses Album zulegen und kann eine Kaufempfehlung aussprechen, ohne all zu sehr darüber nachzudenken. Doch liegt darin auch der Hund begraben: Dieses Album braucht den Vergleich nicht scheuen, hält ihm Stand, bietet aber auch zeitgleich zu viele Ebenen und Möglichkeiten diese Parallelen überhaupt erst zu ziehen. Das müsste nicht sein, die Eigenständigkeit durchaus mehr herausarbeiten und mit einer Zutat würzen, die wir bei den großen Namen nicht finden und vielleicht sogar vermissen. Wer ein so hochwertiges Produkt auf den Markt hauen kann, der ist dazu mit Sicherheit in der Lage. Sofern gewollt und wie immer liegt auch alles im Ohr des geneigten Hörers.
Mein Fazit: Gute Scheibe mit guter Musik, die im verrauchten Pub genauso Zuhause scheint, wie im heimischen Wohnzimmer oder auf einem Festival. Wer mal YouTube „befragt“ wird auch feststellen, dass NORTH ALONE auch live eine ganz eigene Erfahrung ist. Deutschland hat wesentlich mehr zu bieten als JENNIFER ROSTOCK und Bubis wie TIM BENDZKO. Zum Glück...dafür stehen Künstler wie NORTH ALONE mit ihrem Namen!