Es ist ein gefährliches Unterfangen, im Jahrestakt neue Alben zu veröffentlichen. Und NACHTGESCHREI gingen eben diesen Weg. Ihr letztes Album ”Am Rande Der Welt” erblickte erst im März des Vorjahres die Welt und hinterlässt nach wie vor Schmauchspuren in den Gehörgängen, nun folgt „Ardeo“ auf den Fuß und verursacht Staus in sämtlichen zur Verfügung stehenden Abspielgeräten.
Das Frankfurter Septett streckt seine Tentakel Richtung Folk und Mittelalter Rock und garniert dieses mit einem angenehmen Metal Groove. Immer wieder fangen die Klampfen an zu dampfen und unterlegen den Dudelsack, die Flöte und das Akkordeon mit moderner Musik, wobei es allen Parteien gleich ist, sich weder gegenseitig im Weg zu stehen noch gegenseitig übertrumpfen zu wollen. Hier soll allerdings nicht verschwiegen werden, dass „Ardeo“ zunächst Anlaufschwierigkeiten beherbergte, die aber nach kurzer Zeit einem wohligen Gefühl im Magen wichen, hier etwas ganz Besonderes, etwas ganz Spezielles und einfach völlig Wunderbares in den Händen zu halten.
NACHTGESCHREI sind runder geworden und direkter, die umschiffen nicht den Hafen, sondern steuern ihn direkt an. Natürlich kommen ihnen die Live-Aktivitäten zu Gute, so dass sie dadurch in Verbindung mit veröffentlichten Alben im Rücken auch gereifter und besonnener zu Werke gehen. Keine andere Band vermag es zurzeit, den auf Sender „Mittelalter Rock“ gepolten Hörer so tief runter in die Grube der Intensivität zu ziehen und ihn dann mit melancholischen Decken zu umhüllen. Große Worte, in der Tat, aber eben diese werden textlich geboten, so dass auch von dieser Seite Verzückung zu garantieren ist. Wobei es auf „Ardeo“ nicht um oberflächlichen Wein, Weib und Gesang geht, sondern um tiefergehende Themen, denen der gemeinsame Nenner einer lyrischen Erhabenheit obliegt. So schön mit Worten zu balanciren ist eine Sache, sie dann aber auch noch mit einer mitreißenden Stimme zu intonieren ist NACHTGESCHREI! Sänger Hotti hört sich ein wenig nach einem kauzigem Joachim Witt an, aber nach und nach zeigt sich seine einzigartige stimmliche Aura, den Hörer mit auf die Reise zu nehmen. So schließt dann folgerichtig und äußerst konsequent „Der Reisende“ dieses großartige Werk, das es sogar geschafft hat, mit „ad astra“ ein instrumentales Zwischenstück zu präsentieren, dass sich nahtlos in das hohe Niveau an Klassesongs einfügen kann.
Wenn denn drei Songs mit auf die Insel genommen werden müssen, dann „An mein Ende“, „Ardeo“ und „Der Reisende“, da diese alle Facetten von NACHTGESCHREI bloßlegen und mit Nachdruck zum Besten gehören, was anno 2010 unter dem Mittelalter Banner zu finden ist.
Tracklist:
01. An mein Ende
02. Kein reiner Ort
03. Herzschlag
04. Herbst
05. Ad astra
06. Ardeo
07. Ich hör nichts mehr
08. Soweit wie nötig
09. Lichtschwimmer
10. Hinter deinen Augen
11. Der Reisende