Gibt es das wirklich – Musik als Waffe? Von Bands wie BOLT THROWER oder SLAYER haben wir gelernt: durchaus. NAILS um Todd Jones (noch wütender, noch kantiger) haben mit den beiden erstgenannten zumindest auf den ersten Blick nicht viel gemein. Sie verdichten tiefergelegten swedischen Death Metal, Powerviolence, kompromisslosen Grind und die Verknapptheit des Hardcore zu einer musikalischen Tellermine. Der Effekt jedoch ist ein sehr ähnlicher.
Die Abgründe, die dieser Todd Jones auszuloten imstande ist, werden nicht unbedingt untiefer. Das muss man sich mal vor Augen halten: der gleiche Typ hat mit Bands wie CARRY ON, TERROR und BETRAYED jüngere, US-amerikanische Hardcoregeschichte geschrieben. Seine besondere Fähigkeit: agile Floorfiller schreiben, denen jedes Gramm Fett zu fehlen scheint. The power of the (simpel) riff. Mit seinen schlank NAILS (die Google Bildersuche bringt die wahren menschlichen Abgründe ans Tageslicht) betitelten Höllenschergen entzieht er dem Format seit einem Album und einigen EP’s nun endgültig jegliches Licht, jegliche Hoffnung und jedwede Möglichkeit auf eine agile Pit-Choreographie. NAILS rauschen durch eine übersteuerte Menschenhölle und der einzige, der auf den Promofotos zumindest ein bisschen grinsen darf, ist Kurt Ballou in seinen schmutzigen weißen Tennissocken.
Nach charmant betitelten Kampfansagen wie "Obscene Humanity" und "Unsilent Death" lassen NAILS nun also alle Hoffnung fahren. Thematisch immer noch tief im Grind-Themenkanon (der Mensch als der größte Menschenfeind; Allmachtsphantasien der Politik etc.) verankert, wartet "Abandon All Life" mit allen Tricks und Kniffen einer kompakten, an den letzten knapp 30 Jahren extremer Musik (Stichwort: Earache/Relapse) gewachsenen Platte auf. Noch in die kürzesten Überfälle schmuggelt die Band so etwas wie Eingängigkeit und Genreverneigungen: da ist dieser überknappe Hardcoreteil in 'Tyrant', das mit seinen gerade mal 42 Sekunden das eine Spektrum des NAILS-Kosmos bedient. Oder die NAPALM DEATH-Referenz in 'Absolute Control'. Vieles auf "Abandon All Life" bleibt verstörend unmittelbar. Ab und zu schleicht sich ein zermalmender MORBID ANGEL-Part in die schrundigen Untiefen dieser ultrakurzen Platte, die dennoch nicht länger hätte geraten dürfen. Stumpf bedeutet im NAILS-Kontext nicht blöd. Stumpf ist hier die Überführung puren Hasses in Musik. Das hat die Band richtiggehend perfektioniert.
Vergleichsweise episch verneigen sich NAILS mit 'Wide Open Wound' zu gleichen Teilen vor jeglichen Sunlight Studios Gräbern, dem nervenzerrenden AmRep-Noise der Neunziger und einem chirurgischen Eingriff ohne Betäubung mit sehr dreckigem Besteck in einem eher mager ausgeleuchteten Hinterhof irgendwo in Peripherie. 'Suum Cuique' wiederum befreit sich von Nähmaschinenschlagzeug und Raserei und lässt eine prinzipiell ähnlich beeinflusste Band wie TRAP THEM in ihren gediegeneren Momenten zwischen den Zeilen aufblitzen. Kurt Ballou hat das Ganze so ausgepegelt, dass jedes Feedback, jede Schlagzeugwalze, jede angerissene Doublebass auf Augenhöhe mit Todd Jones‘ bewusst übersteuertem Hassgesang konkurrieren kann. NAILS sind Anti-Prog. Humorlos pessimistisch. Die Band nach dem Ende jeglichen Lebens. So abgrundtief böse, dass es schon wieder einnehmend unterhaltsam ist. Würde es die Welt, die NAILS beschwören wirklich geben, wäre Poppunk wahrscheinlich das einzig legitime Methadon. Wer bräuchte noch diese Musik, wenn ohnehin schon alles in Schutt und Asche liegt?
(Southern Lord)
Tracklist:
01: In Exodus
02: Tyrant
03: Absolute Control
04: God’s Cold Hands
05: Wide Open Wound
06: Abandon All Life
07: No Surrender
08: Pariah
09: Cry Wolf
10: Suum Cuique