Nach drei EPs ist es endlich soweit: NEW NATIVE aus Wien veröffentlichen ihr Debütalbum über Midsummer Records. Eigentlich nichts Weltbewegendes, was Bands eben so machen, könnte man meinen. Als “Fan der ersten Stunde“ stelle ich mir den Entstehungsprozess allerdings alles andere als einfach vor, denn die Musik von NEW NATIVE hat sich noch nie so angehört, als würde die Band nach der ersten Idee schreiben.
Die erste Sektion von „Asleep“ hält mit den ersten 4 Tracks gleich das, was man nach der „Soul Cult“ EP aus dem Sommer 2016 von der Band erwartet: Warm anmutende Harmonien, introspektive Texte und Mitsing-Potenzial durch catchige Refrains. Nach einem verhältnismäßig rockigen Start wird im weiteren Verlauf der Platte schnell klar, dass NEW NATIVE ihrer Musik mehr Raum und Zeit geben als je zuvor, um sich zu entfalten. Dass das Tempo deutlich rausgenommen wurde, merkt man spätestens bei „The Captor“, einem der ruhigsten Songs der Platte. Mein erster Gedanke: Ein ziemlicher Bruch. Aber auch die zweite Hälfte von „Asleep“ wird deutlich dominiert von sanften Tönen und wohldosierter, gut überlegter Instrumentierung inklusive Gastsängern und erweiterter Instrumentierung durch ein Piano. Es kommt diesmal mehr als bisher auf die Feinheiten an. Obwohl Sänger Michael sich stimmlich seit 2016 deutlich gereift und variabler zeigt, hatte ich mit dem aktualisierten Soundgewand von NEW NATIVE zunächst so meine Startschwierigkeiten. Denn mir fehlt die gewohnte Prise Energie, die im Gesamtrezept der Wiener bisher immer doch irgendwo ihren Platz gefunden hatte. Trotz schöner Melodien, die an allen Ecken hervorblitzen, dümpelt „Asleep“ an manchen Stellen für meine Ohren so vor sich hin. Die Frage ist, ob man sich darauf einlässt. Das Album kann einen hypnotisieren, wenn man es nur lässt. Es kann jedoch auch anöden, wenn man nicht in der Stimmung dafür ist. Einen ähnlichen Effekt hatte damals „Reverie Lagoon: Music for Escapism Only“ von Seahaven bei mir hervorgerufen, ohne dass die beiden Alben ansonsten viel miteinander gemeinsam hätten. Vielleicht wird daher „Asleep“, ähnlich wie diese Platte, mein Griff für den entspannten Sonntagmorgen, wenn ich noch halb schlafe und noch ein bisschen liegen bleiben will. Ein perfekter Soundtrack zur allseits beschworenen Entschleunigung. NEW NATIVE befinden sich derweil mit einem Fuß im Indie und mit einem Fuß im Emo (damit meine ich bevor dieser durch Kajal, schwarze Haare und Rumgejaule umdefiniert wurde) und schielen nur noch sehr selten in Richtung ihrer Punkwurzeln. Aber wen interessieren schon Genres? Ein weiteres Mal ziehe ich meinen Hut vor der Eigenständigkeit und dem Wiedererkennungswert von NEW NATIVE, vor der Kohärenz den die Band auch auf ihrem Album musikalisch erschaffen hat. Ohne Frage verdient die Band nach wie vor mehr Aufmerksamkeit, als sie bekommt. Gefühlt ist da schon immer Potenzial für ganz große Bühnen gewesen. Ich für meinen Teil bleibe dabei Fan der ersten Stunde und reihe sie ein in die Kategorie „Die alten Sachen von denen waren die besten!“. Irgendwie ungerecht angesichts des Riesensprungs, den die Jungs instrumental auf ihrem Debütalbum gemacht haben. Aber hey, in der Kategorie sind schon verdammt viele verdammt gute Künstler davor gelandet. Und manche haben es auch wieder raus geschafft.