NILE sind eine der einzigartigsten, einflussreichsten und auch brutalsten Death Metal Bands. Bisher scheinen Alben von Hobby Ägyptologe Karl Sanders und seiner Crew spurlos an Allschools vorbeigegangen zu sein. Damit ist jetzt Schluss, denn sowohl unser jüngster als auch ältester Redakteur schenkt dem neuen NILE Output "Those Whom The Gods Detest" Aufmerksamkeit:
Ithyphallic war eine okaye, aber irgendwie auch egale Antwort auf das herausragende Annihilation Of The Wicked, welche zwar ein weiteres Mal die Stärken des Erfolgs-Quartetts bündeln konnte; die eigenen Möglichkeiten jedoch kaum herauszufordern wusste. Damit ist NILE das schlimmste passiert, was ihnen auf dem Zenit ihres Erfolgs hätte passieren können: Belanglosigkeit. Längst sind NILE nicht mehr bloß Spiegel der Verkörperung einer ganzen Mythologie, sondern auch einer stagnierenden, schier langweiligen höher-schneller-weiter Death-Metal-Szene.
Ägypten-Pathos, ultra-technische Highspeed-Licks, messerscharfe Frickelorgien und immer mal das gewisse Maß Schleppendes, um das gewisse Salz in der Suppe zu bilden - kennen wir alles aus 16 Jahre Bandgeschichte. Nur was macht eine Band, die all die Jahre zwar mehr oder weniger konstant Qualität abliefert, stilistisch jedoch schon lange stagniert? - Sie versucht, weiter konstant Qualität abzuliefern, den Kurs zu halten. Haben NILE denn überhaupt Entwicklung nötig? Sie haben mit ihren doch sehr markanten Stil u.a. durch den Einsatz ägyptischer Interludes doch ihre ganz eigene Nische gefunden; und die Fans lieben sie dafür. Und: Würde es überhaupt Sinn machen, stilistisch zu experimentieren, die Grenzen weiter auszuloten? Gegenfrage: Macht es Sinn als eine Band wie NILE noch weiter Alben zu veröffentlichen? Mit solchen wie Amongst The Catabombs , Black Seeds Of Vengeance oder eben Annihilation Of The Wicked hat man doch bereits den Stil auf das höchste Maß perfektioniert, auf die Spitze getrieben. Dass man so etwas nicht mal eben nochmal machen kann hat schon der Vorgänger gezeigt, und auch Those Whom The Gods Detest wird es zeigen.
Mit Kafir haut man direkt zu Beginn bereits den wohl besten Song der Platte raus, mit dem Titeltrack versucht man sich an eine ungewohnt eingängige (aber nicht wirklich zünden wollende), refrainartige Vocalline, und auch 4th Arra of Dagon versucht sich an ungewohnt markante Hooks mit bissigen Charme ja, dass NILE es noch können, das steht außer Frage, wie man auch im mit Ohrwurmcharakter gesegneten Solo gegen Ende von The Eye Of Ra unter Beweiß gestellt bekommt. Doch dann schon Iskander D'hul Karnon kennen wir eine ähnliche Melodie, eine ähnliche Herangehensweise nicht schon vom Überhit und Titelsong der Annihilation Of The Wicked? Generell wirken viele Licks wie recycelt; und genauso wie einige ägyptische Samples einen mittlerweile völlig kalt lassen wirkt auch Those Whom The Gods Detest zuteilen einfach nur leblos, wie schon dutzende Male gehört.
Wo NILE mit Ithyphallic eine für viele sicher heißersehnte Antwort auf einen herausragenden Vorgänger war, ist Those Whom The Gods Detest eine Antwort, die nicht mehr hätte gestellt werden müssen, denn: NILE haben längst nichts mehr Weltbewegendes zu sagen. Trotz alledem ist Those Whom The Gods Detest ein Album, welches jenen Fans, die noch Spaß an der Band haben, gefallen dürfte, weil es sein Handwerk immer noch besser versteht als viele andere Genrevertreter; wirkliche Relevanz spricht sich jedoch anders aus. Gute 6 Punkte.
Olivier
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"We're going to some very unexpected places," he said. "I've been listening to some oud music [the oud is a Middle Eastern lute Ed.], Iranian music, and some Hindu stuff, and that stuff's definitely rubbing off on the new songs."
Orientalische Meditation, derbes Geknüppel und technische Perfektion treffen aufeinander. Das Ergebnis dieser Liaison: NILE! Gestartet ist das Trio zu einem Zeitpunkt, als der Death Metal Zug festgefahren war und (den Höhepunkt längst hinter sich) Hilfe zum Weiterrollen benötigte. Die kam dann in Form von "Festivals Of Atonement" und vor allem "Ramses Bringer Of War". Die EP's spielten sich in die Herzen der nach Todesmetall schmachtenden Fans, die etwas anderes präsentiert haben wollten als zum Hals heraus hängende Standardkost. Es folgten Überalben wie "Black Seeds Of Vengeance" (2000) und "In Their Darkened Shrines" (2002). Das war einmal. Wir schreiben 2009 und "Those Whom The Gods Detest" ist bereits das sechste Album und es galt, einen etwas schwächeren Vorgänger in Vergessenheit stürzen zu lassen. "Kafir" beginnt dann auch fulminant und besticht vor allem durch gebetsartige Sprechparts, die mit brutalem Gebolze zu einer Einheit verschmelzen. Auffällig vor allem die Vocals, meist growlt Dallas Toler-Wade relativ hoch, selten eingesetzt somit das knietiefe Geröchel des Chefdenkers Karl Sanders. Die sich permanent abwechselnden, abartig tiefen Stimmen der beiden scheinen der Vergangenheit anzugehören. Karl Sanders, Chefkomponist und Ägypten-Fanatiker, unterstützt mit seiner Performance mehr die Szenerie und verhilft in seinen Momenten den Songs zu noch mehr Brutalität. Auch ist der Doom Anteil innerhalb der Songs etwas höher geworden ("Utterances of the Crawling Dead", "4th Arra of Dagon"), gerade zu Beginn des NILE'schen Imperiums ein noch öfter eingesetztes Stilmittel. NILE bemühen sich offensichtlich um Abwechslung, immer wieder gehen sie wie auf dem starken Titeltrack in eine akustische, orientalische Ruhestellung, um dann den Winterschlaf durch brachiales Zertrümmern des Kollias'schen Drumkits jäh zu beenden. Das NILE'sche Klangspektrum ist auf "Those Whom The Gods Detest" etwas leichter zu erschließen als auf den Referenzwerken, das Songwriting hat sich ein wenig aufgelockert und ist nicht mehr ganz so dicht, nicht mehr so abartig intensiv. Es fehlt daher auch die langsam vor sich hin schleichende Magie, die einem nach dem Genuss von NILE Alben den Hals zugedreht hat. Es könnte auch auf die Idee gekommen werden, in NILE's Fingerspitzen haben sich neben den Killer- auch Fillerriffs eingeschlichen. Aber: Die Gitarrenarbeit ist auf weiten Strecken ein technischer Hochgenuss, die Duelle Sanders / Toler-Wade gehören nach wie vor zum Nonplusultra im derben Gefrickel und lassen auch 2009 keine Abnutzungserscheinungen zu. Ein drückender, Luft zum Atmen lassender Erik Rutan Sound entlässt "Those Whom the Gods Detest" dann letztendlich in höhere Bewertungsregionen mit dem kleinen Manko, diese Ausnahmeband bereits wesentlich besser gehört zu haben.
Clement
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Tracklist:
01. Kafir!
02. Hittite Dung Incantation
03. Utterances of the Crawling Dead
04. Those Whom the Gods Detest
05. 4th Arra of Dagon
06. Permitting the Noble Dead to Descend to the Underworld
07. Yezd Desert Ghul Ritual in the Abandoned Towers of Silence
08. Kem Khefa Kheshef
09. The Eye of Ra
10. Iskander D'hul Karnon