Nachts halb drei vorm Computer. Licht nur spärlich, Zimmer verraucht. Hängengeblieben auf Melancholie, während man bei Youtube Songs sucht und sich im Halbschlaf selbst runterzieht. Über ein Jahr ist das jetzt her als ich das erste mal NOTHING,NOWHERE. hörte. Im Deprimodus klang das herrlich zutreffend. Emorap auf RnB-artigen-Trapbeats. Dazu der Spirit der ganzen 90ies Emo-Bands. Liest sich super. Zur gleichen Zeit war der ähnlich klingende Künstler LIL PEEP auf dem Weg diesen Genremix im Mainstram populär zu machen.
Dazu kam es nicht mehr. Der mittlerweile mit genügend Soundcloud- und Youtube-Fame ausgestattete Joe Mulherin mit seinem Musikprojekt NOTHING,NOWHERE. nutzt das von LIL PEEP genutzte Fundament und macht da weiter, wo der verstorbene Sänger/Rapper abrupt aufhören musste. Leider gelingt es ihm nur in Ansätzen eine ähnliche Atmosphäre zu erzeugen.
“Ruiner” ist das zweite Album nach seiner Debut-LP “Reaper” von 2017 und beginnt (nach dem eher überflüssigen Intro) mit “Reminiscer” einigermaßen spannend. Ein atmosphärischer Gitarrenloop, minimalistische Drums und Mulherins sehr entspannte Kopfstimme im Refrain hätten ebenso ein Hiddentrack auf einem beliebigen Emowerk der 2000er sein könne. Kurios wird es bereits mit dem nachfolgenden “Better”: Der Gitarrenloop und der Aufbau klingt nahezu identisch wie im Track zuvor, dazu beginnt Mulherin zu rappen, klingt dabei aber wie eine Kopie wie den bereits ohnehin schon unfreiwillig komischen CRAZY TOWN. Der Refrain rettet den Song einigermaßen, wird aber durch eine unpassende 808-Hihat gestört.
Mit “Sinker” wird es nicht besser. Belangloser Klimpergitarrenloop mit billigem Hall, etwas Gesäusel und dann diese völlig unpassenden Drums, welche so klingen, wie bei diesen unsäglichen Elektroversuchen auf den ersten JIMMY EAT WORLD-Platten. Schrecklich. Nichts auf diesem Album passt zusammen. Diese Mischung von zeitgemäßen (oder retro - je nach Sichtweise) 808-Drums und Emo-Vibes versprühenden Akustikgitarrengezupfe zündet einfach an keiner Stelle. Was bei LIL PEEP und zuletzt XXXTENTACION wunderbar klappte, wirkt bei NOTHING,NOWHERE. aufgesetzt, belanglos und billig.
Billig. Genau. Gefühlt jede Soundcloud- bzw Bandcamp-Bedroom-Pop-Veröffentlichung klingt besser produziert. Beispiele: Dieser völlig deplatzierte Sub-Bass in “Rejecter” killt die Emostimmung, der Autotuneeinsatz in “Vacanter” wurde offensichtlich nur benutzt, weil das Plug-In einmal geladen war und die Drumpattern wirken auf dem gesamten Album so uninspiriert und lieblos, als wurden die Drums lediglich eingebaut “weil man das halt so macht”. Eine reine Akustikversion des Albums würde Mulherin deutlich besser zu Gesicht stehen, das unterdurchschnittliche und immer gleiche Songwriting würde dadurch allerdings auch nicht kaschiert.
Was auch immer Joe Mulherin mit seinem Projekt NOTHING,NOWHERE. versucht hat: es ist gescheitert. Zeitgemäße Trapsounds in ein Emokorsett zu zwingen, darauf wahlweise zu rappen, zu singen oder zu schreien mag in der Theorie interessant klingen. Das Album “Ruiner” ist es nicht. Einen Trostpunkt gibt es dennoch für den Song “Sayer”: der ist zwar dreist von THE WEEKND geklaut, klingt aber dementsprechend nicht ganz so scheiße.