Die neue Scheibe der kalifornischen Metalcore/Post-Hardcoreler OF MICE & MEN ist bei uns wohl leider etwas untergegangen, doch inzwischen konnte ich mir einen ganz guten Eindruck von "Cold World" verschaffen. Es heißt ja bekanntlich besser spät als nie. Also, gar nicht erst lange fackeln und ran an den Speck. Doch so schnell geht es nun auch nicht, denn statt direkt loszurocken, überraschen OF MICE & MEN zum Einstieg mit unerwartet ruhigen Tönen. Ursprünglich vermutlich mal als Intro gedacht, entpuppt sich "Game Of War" als atmosphärische Düsterpopnummer, die fast nur von ein paar Tönen am Bass, dezentem Piano-Einsatz und Austin Carliles warmem Gesang getragen wird. Unerwartet aber gut.
Danach geht es mit "The Lie" aber doch wie erwartet etwas rauer zu. Die Nummer tut zwar niemandem weh (Anm.: in Sachen Aggression und Härte setze ich sowieso andere Maßstäbe), geht aber gut nach vorne und erinnert an die jüngeren Eskapaden von BRING ME THE HORIZON. "Real" und "Like A Ghost" bieten eingängigen und etwas gefälligen Alternative Rock, der klar gen Radiotauglichkeit tendiert und bei dem der Einsatz von Klargesang überwiegt. Unbedingt schlecht ist das nicht, denn während Austin Carlile in dieser Disziplin glänzt, wirken seine Shouts mitunter etwas gezwungen.
"Contagious" dreht den Härtegrad schließlich sehr vorsichtig etwas auf, bevor es danach endlich einen richtigen Aggrobatzen auf die Ohren gibt. "Pain" ist aber auch der einzige Song des Albums, bei dem ich die Bezeichnung Metalcore überhaupt für angemessen halte. "The Hunger" ist wieder etwas gemäßigter, kann aber mit Atmosphäre, einem eindringlichen Chorus und einer tollen Gesangsleistung punkten. "Relentless" bietet ordentlich rockenden New Metal, der etwas an die frühen Werke von LINKIN PARK erinnert und besonders live eine gute Figur machen dürfte.
Im letzten Drittel des Albums geht OF MICE & MEN dann leider merklich die Luft aus; "Down The Road", "Away" und "Transfigured" sind sich mit ihren halbballadesken Anflügen allesamt recht ähnlich, wirken dabei irgendwie unentschlossen und wollen nicht so richtig aus dem Quark kommen. Da wäre eine weitere etwas härtere Nummer der Sorte "Pain" gegen Ende vielleicht ganz wünschenswert gewesen.
Insgesamt ist "Cold World" ein zweischneidiges Schwert. Ihre Stärken offenbaren OF MICE & MEN eindeutig unmittelbar am Anfang und in der Mitte des Albums. Der Rest des Songmaterials ist zwar nicht unbedingt schlecht und man hat auch merklich Wert auf Abwechslung gelegt, allerdings bleibt das Ergebnis trotzdem nur mäßig spannend und relativ blass. Die Band möchte ganz klar ein möglichst breites Publikum ansprechen und niemanden überfordern, was gemessen an ihrem Erfolg offenbar auch gelingt. Trotzdem sollten OF MICE & MEN ihre persönlichen Stärken noch deutlicher herausarbeiten, um nicht in der Masse ähnlicher Bands unterzugehen.