Neben dem sozialen und respektvollen Umgang miteinander kann sich der Durchschnittsdeutsche gerne noch mehr beim Japaner abgucken. Zum Beispiel wie man Dinge mit Herz und Hand anpackt, mit Herz und Hand am Ball bleibt, um sie schliesslich mit Herz und Hand zu Ende zu bringen. So oder so ähnlich darf die (Erfolgs-)Story von ONE OK ROCK in die Geschichtsbücher übergetragen werden. Natürlich nicht, ohne mindestens bei jedem zweiten Song auf "35XXXV" lobend Produzent John Feldman zu erwähnen.
Denn was dieser anpackt, ist salopp gesagt mittlerweile sofort herauszusieben. Das Konzept des amerikanischen Teeniecore ist noch lange nicht erschöpft - im Gegenteil: Die Kuh wird jetzt sogar im Fernen Osten gemolken. Hier kommen ONE OK ROCK mit vielleicht bescheuertem Bandnamen aber amtlichem Backcatalogue ins Spiel. Piekfein zischen Snare und Becken, wenn "Take Me To The Top" an den Start geht und direkt Feldmans Buddys STORY OF THE YEAR oder SAOSIN mit ins Boot holt. Glasklarer Pop trifft auf stampfende Drums, dazu reiht die Band Gitarren und Chöre feinsäuberlich übereinander auf. "Suddenly" macht es sich genauso leicht und guckt sich Refraingeschehen und Atmosphäre schamlos bei YELLOWCARD ab. So unschön sich dieses Namedropping-Borbardement liest, so unschön verhält es sich mit der Eigenständigkeit oder Innovation der dreizehn polierten Songs. Keine(r) unter den zehntausenden von aufgeregten Besucher(inne)n, die ONE OK ROCK locker in die Stadien ihrer Heimat locken, soll ohne Herzschmerzballade entlassen werden. Demnach leisten "Heartache" und "Good Goodbye" gute Arbeit. Schmacht und synthetische Streicher, wie sie von ALL TIME LOW zur Genüge serviert wurden, zählen bei Taka, Toru, Ryota und Drummer Tomoya zum Tagesgeschäft. Aufgenommen wurde das siebte Album natürlich in Los Angeles, denn unter der Dauersonne Kaliforniens gedeiht ein Breitband-Rocksong wie "Cry Out" nun mal am besten. Das Stück ist ein liebevoller Querverweis an THE USED, inhaltlich soll es dazu nicht zu vertieft zugehen: "Memory memory now you´re nothing but a memory memory now - you're burning out / Go on and fuck yourself" heisst es bei "Memories", dass unauffällig japanische Lyrics unter die englischen mischt.
Mit Hinblick auf die musikalische Entwicklung der jungen Band wirkt "35XXXV" synthetisch aufgehübscht und in die Moderne gezerrt. Klammerten sich ONE OK ROCK zuvor an Vorbilder wie LINKIN PARK oder GOOD CHARLOTTE, so liebäugelt nicht bloss "Suddenly" klar mit dem aktuellen US-Posthardcore-/Stadionrocksound. Oder anders gesagt: Kein Takt wird hier dem Zufall überlassen. Das flippige Partyboy-Kaliber "Paper Planes" (mit passendem Gastauftritt von Kellin Quinn / SLEEPING IN SIRENS) ist schon fast zuviel des Guten, zuvor darf sich auch Warped-Tour-Kollege Tyler Carter (ISSUES, WOE, IS ME) auf "Decision" verewigen. Vielleicht nicht zuletzt wegen dem übereifrigen Zutun von Produzent John Feldman ist "35XXXV" ein schlüssiges, lupenreines Album das mit haufenweise Popappeal statt Schönheitsfehlern trumpft.