Schon bei der Genrebezeichnung Metalcore ergreife ich normalerweise schleunigst die Flucht. Nach Vorne, weit weg, unter den größten Stein, den ich finde, in das tiefste Loch. Schliesslich gehöre ich der Retro-Brille tragenden, auf Jutesack schwörenden Kapuzenpolizei an und bürge allein schon dadurch für gewisse Scheuklappen. Außerdem hat genau dieses Genre gerne musikalische Rohrkrepierer als das nächste große Ding angepriesen und die Hörer hatten letztendlich das Nachsehen beim Betrachten der Mogelpackung. Doch leider kommt es bei einer solch ignoranten Betrachtung immer wieder einmal zu bedauerlichen Kollateralschäden...
In diesem Fall traf es leider auch den Fünfer aus Kalifornien OF MICE & MEN, der bislang gänzlich unbeachtet und sträflichst vernachlässigt sein Dasein fern ab meiner heimischen Playlist fristen musste. Umso geringer also die Erwartungen, als ich das neue Album „Restoring Force“ in den Player schob. Und umso größer der Aha-Effekt, als sich schon der Opener “Public Service Announcement“ mit voller Wucht in die Gehörgänge bohrt. „It's none of your business“ - wer nach dieser Aussage Shouter Austin Carlile widersprechen möchte, darf gerne vortreten. Doch egal, was man auch vorzubringen gedenkt, im ersten Track werden schon jegliche etwaige Zweifel einfach zermalmt.
Doch dass mit purer Wucht auf Dauer eben nicht immer zu punkten ist, wissen die Jungs genau, schliesslich machen sie auch nicht erst seit gestern Musik. Genau dies wird bei den gefälligen Hooks, hervorgehoben durch vermehrt eingesetzten Cleangesang, mehr als deutlich. In diesem Zusammenhang kommt oft der leise Vorwurf der Berechenbarkeit auf den Tisch; aber rechtfertigt so etwas wirklich Punktabzug? Mal ehrlich, wer progigen Stoff braucht und will, greift doch bestimmt nicht zu OF MICE & MEN, oder? Das wäre ja fast so, als wenn ich beim Wunsch nach Rap beim Wendler lande.
Die erste Singleauskopplug „You're Not Alone“ zeigte eigentlich schon alles, was die Band anno 2014 ausmacht – gutes, eingängiges Songwriting ohne große Überraschungen, dafür mit Ohrwurmcharkater. Einzelne Songs mögen mehr oder weniger in die ein oder andere Richtung tendieren, sind also mal härter wie beispielsweise „Bones Exposed“ oder mal softer und bestechen durch eine mehr als deutliche Radiotauglichkeit wie „Another You“. Alles in Allem aber bleibt unterm Strich ein gutes und kurzweiliges Album, welches mit einem ordentlichen Groove im überwiegenden Midtempo die Nackenmuskeln fordert.
Selbst die ewige Forderung nach Weiterentwicklung wird auf Albumlänge befriedigt, doch mitgehen oder anerkennend nicken werden in diesem Fall sicher nicht alle Fans der ersten Stunde. Denn mit „Restoring Force“ sind OF MICE & MEN deutlich in die Comfortzone des großindustriellen Onkels Pop eingebrochen. In einem Interview, das vor einiger Zeit Austin Carlile gab, konnte man, nach der neuen Platte befragt, sogar den Namen LINKIN PARK lesen. Dies dürfte hie und da Unbehagen ausgelöst haben, doch vermischt der Fünfer Melodie und Härte wesentlich gefälliger, weil fieser und unbequemer, als die Walmart'sche Retortencombo.
Tracklist:
1.Public Service Announcement
2.Feels Like Forever
3.Bones Exposed
4.Would You Still Be There
5.Glass Hearts
6.Another You
7.Break Free
8.You Make Me Sick
9.Identity Disorder
10.You're Not Alone
11.Space Enough To Grow