Plattenkritik

Omega Massif - Geisterstadt/Kalt

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Release Date: 17.06.2010
Datum Review: 31.07.2010

Omega Massif - Geisterstadt/Kalt

 

 

Manchmal sind die düsteren Stunden des Lebens eben doch die angenehmsten. Besonders dann, wenn man sie zurückgezogen in einem dunklen Raum mit der passenden Musik verbringt und sich seinem Schicksal einfach mal kampflos ergibt. Den Soundtrack für ein solches Szenario haben vor einiger Zeit zweifelsohne OMEGA MASSIF geschrieben. „Kalt“ stand als erstes Lebenszeichen der Würzburger lange Zeit für einen kleinen Kreis von Menschen als Referenzwerk des deutschen Instrumentaldooms, welches erst durch die mittlerweile vergriffene LP „Geisterstadt“ abgelöst wurde. Beide Scheiben werden jetzt in einem Package erneut veröffentlich, damit sich endlich auch jene daran erfreuen dürfen, die von der Band bislang wenig bis gar nichts gehört haben.

„Unter Null“ lautet das erste Stück auf „Kalt“ und besser als mit diesem Titel hätte man den Song eigentlich nicht beschreiben können. Lebensbejahend? Fehlanzeige! Hoffnung? Ebenfalls völlig daneben! Nihilismus? Wir kommen der Sache schon ein Stück näher. Was einem hier um die Ohren schallt ist einfach die Vertonung eines tiefdunklen Abgrunds, dessen Boden selbst mit den besten Augen nicht auszumachen ist. Tief unten, optisch nicht wahrnehmbar, akustisch dafür umso mehr, graben OMEGA MASSIF mit einem mörderischen Drive das Loch immer tiefer in den Boden. Sie wüten, sie stampfen, schmeißen Staub und Gesteinsbrocken um sich, bis es plötzlich ganz still ist. Zuvor lässt man den Abgrund jedoch noch einmal in sich zusammenstürzen, bis nur noch ein ödes Brachland übrig bleibt. „Murgang“ wird diese Einöde zum Anfang wieder auf seine Furchtbarkeit vorbereiten. Leise Töne schallen aus den Boxen, eine fast versöhnliche Melodie, möchte man meinen, die sich nach und nach aufbaut. Siehe da, tatsächlich sprießen einige Keime aus dem trockenen Boden und lassen so etwas wie ein Zeichen von Leben vermuten. Was jedoch nie verschwunden ist, ist das Grollen im Hintergrund, welches sich immer wieder seinen Weg in die Gehörgänge bahnt, bis es immer lauter wird und die nächste Dampfwalze anrollt, um den Boden erneut zu planieren. Dies mach sie in Perfektion und lässt nichts mehr übrig von dem Grün, was vor kurzer Zeit hier noch gesichtet wurde. Unaufhaltsam verrichtet sie ihre Arbeit und es scheint als würden Jahre vergehen. Zusehends verändert sich die Umgebung, die Temperaturen sinken und urplötzlich befindet man sich in einer „Eiswüste“. Die EP macht jetzt ihrem Namen endgültig alle Ehre. OMEGA MASSIF arbeiten mit absoluter Dunkelheit, sich langsam aufbauenden Stücken und dem Stilmittel des repetierenden Momentes („Schacht“ beweist dies eindrucksvoll). Dabei muss man sich darauf einlassen können, dass dieses Spielchen bis an die Schmerzgrenze getrieben wird und Songs mit einer Spielzeit von zehn Minuten keine Seltenheit sind.

Die Kälte hat die Menschen zu Grunde gerichtet und die Welt ist übersät von Geisterstädten. Eine von vielen haben sich OMEGA MASSIF ausgesucht, um ihr ein musikalisches Gesicht zu verpassen. Stilistisch hat sich nicht viel geändert, die Produktion ist etwas weniger rau und die einzelnen Songs weisen eine noch ablehnendere Haltung auf, als es auf dem alten Material zu bemerken war. Fast möchte man meinen während des Openers „In der Mine“ einige ISIS-Einflüsse raushören zu können, diese verschwinden jedoch recht schnell wieder unter dem Mantel der Eigenständigkeit und der unschlagbaren Wucht. Immer noch setzen die Würzburger ein ums andere Mal auf Wiederholungen, lassen jedoch immer wieder zusätzliche Elemente innerhalb dieser mit einfließen, die das Hörend spannend bleiben lassen. Ob nun die absolut undurchdringliche „Nebelwand“ oder das neu aufgelegte und etwas veränderte „Unter Null“ (welches mir persönlich auf „Kalt“ besser gefiel), das Downtempo regiert. Und genau das ist es eben auch, was die Stücke von OMEGA MASSIF so bedrohlich erscheinen lässt: dieses konstante Aufhalten in langsamen Gefilden, in denen die Zeit still zu stehen scheint. Dies wird so lange hinausgezögert, bis man einfach nicht mehr anders kann, als los und davon zu laufen. Angestachelt dadurch entwickelt die Band eine unglaubliche Energie und verfolgt ihr Opfer mit einer Geschwindigkeit, die man so nicht erwartet hätte. Die meterhohen Soundwände, die man zuvor in mühseliger Arbeit aufgebaut hatte beginnen zu bröckeln, bis sie schlussendlich komplett in sich zusammen fallen und den Hörer unter sich begraben. Ein Entkommen aus den Trümmern scheint schier unmöglich und so gibt man sich seinem eingangs erwähnten Schicksal einfach hin, bis alles mit „Exodus“ ein Ende nimmt und man sich wieder im Wohnzimmer auf der Couch befindet , wo man sich erst einmal den Schweiß von der Stirn wischen muss. Aber wie eingangs schon erwähnt, sind die düsteren Stunden des Lebens manchmal eben doch die angenehmsten und so wird man sich immer wieder auf diese abstruse und alles vernichtende Reise begeben, nur um sich selbst ein wenig zu quälen und danach zu wissen, dass es einem eigentlich doch ganz gut geht.

Tracklist:

Kalt

1. Unter Null
2. Murgang
3. Eiswüste
4. Schacht

Geisterstadt

1. In der Mine
2. Geisterstadt
3. Nebelwand
4. Unter Null
5. Arcanum
6. Exodus

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Alex G.

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